Vor einem Jahr hat der erste Corona-Lockdown begonnen. Es ist schon unglaublich, wie sich manche meiner Arbeitstage verändert haben. In diesem Blogartikel möchte ich gerne über je drei beispielhafte Arbeitssituationen aus dem März 2020 und dem März 2021 berichten. Da liegen Welten zwischen.
März 2020, kurz vor dem 1. Lockdown
Ich weiß noch genau, wie ich am 12.03.2020 in einer Berliner Grundschule war und eine große Mediationssitzung mit einem Team von 10 Erzieher*innen aus der Schule geleitet habe. Wir saßen in einem Klassenraum auf kleinen Stühlen und hatten die Tische beiseite geschoben. Es war eine gute Sitzung. Anschließend sprach ich zwecks weiterer Termine mit der Koordinierenden Erzieherin aus dem EFöB-Bereich (Ergänzende Förderung und Betreuung, früher Hort genannt) und sie erzählte mir, dass voraussichtlich am darauffolgendem Montag alle Schulen Berlins schießen würden. Ich war damals noch vollkommen überrascht und hielt dies nicht für möglich. Es war möglich und es war auch notwendig, und so viel hat sich seitdem geändert.
Am 13. und 14.03.2020 hatte ich das letzte Mediationstraining mit einer Gruppe in Nürnberg. Es war das erste Mediationsausbildungswochenende in dieser Gruppe, wir saßen in einem kleinen Raum eng beieinander. Es sollte für längere Zeit das letzte Ausbildungswochenende vor Ort mit einer Gruppe bleiben, und es war auch für die Gruppe für längere Zeit das letzte gemeinsame Wochenende. „Damals“ wusste ich noch nicht, wie gut Zoom für Online-Trainings funktioniert. Wir hatten alle ein ganz merkwürdiges Gefühl an diesem Wochenende. Nichts mehr wie immer.
Am Montag, dem 15.03.2020, die Schulen und Kitas hatten bereits zu, hatte ich dann meine letzte Mediation vor dem Lockdown mit einem kleinen Team von 6 Personen in einem Kinderladen (KiLa). Die Kinder waren bereits zu Hause, und nach uns schlossen sich die Türe der Einrichtung für mehrere Monate, bis die Kinder wieder in die Einrichtung zurück kamen. Wir saßen alle bereits weit auseinander und Corona war zu „spüren“. Auf den Konflikt bezogen weiß ich nicht, wie es sich ausgewirkt hätte, wenn der Streit weiterhin im Team geblieben wäre. Es war vielmehr wohltuend für alle, dass der Konflikt geklärt wurde, und dass alle Erzieher*innen entspannt in die Lockdown-Zeit gehen konnten.
Diese letzten drei Arbeitsphasen vor dem Lockdown werden mir in langfristiger Erinnerung bleiben, denn „damals“ war alles noch anders. Ich wusste noch nicht viel von Online-Mediationen, von Webinaren, Online-Trainings, Online-Kongressen und vielem mehr. In der Zwischenzeit ist das ganz anders und ich habe viel gelernt. Jetzt gehören Online-Formate zum gewohnten Repertoire und fast schon zum Standard. Was für ein Schritt von damals zu heute.
März 2021, im 3. Lockdown
Am 11. März halte ich ein Webinar über edudip. Es sind 30 Pädagog*innen aus Berlin anwesend, die ganz gebannt 2,5 Stunden meinem Seminarvortrag über „Der Aufbau des WIR-Gefühl bei der Rückkehr der Klassen in die Schule“ folgen. Es ist ein Webinar, das heißt es gibt mehr Input und weniger Austausch- oder Trainingseinheiten. Dennoch machen wir gemeinsame Übungen, um das WIR selber zu fühlen. Früher hätte ich mir keine Gedanken über den Unterschied zwischen Webinaren und Online-Seminaren gemacht. Aber natürlich, so wie es in Realveranstaltungen im Trainingssektor verschiedene Formate gibt, so gibt es diese natürlich auch im Online-Bereich.
Am 12. März 2021 bin ich online unterwegs auf der Mediations-Werkstatt des Bundesverbandes Mediation. Fast 200 Personen treffen sich im Zoom-Raum, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Es gibt eine Keynote von Hatice Akyün, es gibt Neuigkeiten aus dem Mediationsverband, wir arbeiten intensiv in Kleingruppen, also breakout-rooms zu verschiedenen Themen, schreiben die Themen auf ein Kanban-Chart auf und stellen die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wieder im Plenum vor. Abends dann treffen wir uns online zum feiern und miteinander quatschen an der Bar, im Weinkeller oder auf der Terrasse über wonder.me. Ich staune was alles möglich ist.
Am 13. März 2021 halte ich ein Online Mediationstraining über das Thema „Mediation und Verhandeln“. Ich sitze in Berlin vor meinem Computer, meine Teilnehmer*innen vor ihren Computern in Köln und Umgebung. Eigentlich wäre ich auch gerne „live“ in Köln, aber das geht noch nicht. Wir starten den Tag mit einer hochinteressanten, persönlichen Eingangsrunde. Es gibt Übungen in Kleingruppen, es gibt Aufgaben für den Chat, ein Rollenspiel in verschiedenen Breakout-Rooms, Input-Einheiten im Plenum. Ich switche zwischen verschiedenen technischen Möglichkeiten hin und her, verschiebe Teilnehmer*innen in verschiedene digitale Räume, mal durch Zufall mal geplant, und gehe selber durch die verschiedenen Räume hindurch. Ich schaue auf die Zeit, organisiere die Power-Point, die Mitschriften, verteile die Redereihenfolge, schreibe am Whiteboard und leite Teilnehmer*innen an am Whiteboard zu schreiben. Und dann natürlich vermittle ich auch den Inhalt des Tages und leite die Übungen und Rollenspiele an. Schon beim Schreiben wird mir fast schwindelig von dieser Aufgabenvielfalt. Und dennoch macht der Tag mir und allen anderen unglaublich viel Spaß.
Wie wird es März 2022 sein?
Mich interessiert, wie es weitergeht, wie meine Tage im März 2022 aussehen werden.
Meine Vermutung ist, dass wir nicht zu dem Zustand zurückkehren, den wir vor Corona hatte. Wir haben gelernt und sollten das Gelernte mit in die Zukunft nehmen. Ebenfalls werden wir die große Menge der Online-Veranstaltungen vermutlich nicht beibehalten, dafür ist es viel zu schön sich auch real gegenüber zu sitzen. Ich denke vielmehr, dass es eine Kombination aus On- und Offline geben wird. Wie das aussehen wir, ich bin sehr gespannt …