Eine wütende Kollegin
Fiona findet es schwer und anstrengend, mit wütenden Menschen in Interaktion zu sein. Wenn sie kann, meidet sie wütende Personen und geht ihnen aus dem Weg. Auf der Arbeit ist das allerdings nur begrenzt möglich. Ihre Kollegin Maryam regt sich manchmal auf; ihr Ärger und ihre Wut sind dann unmittelbar und deutlich. Maryam versteckt ihren Ärger nicht und sieht auch kein Problem darin, ihre Wut transparent zu machen und zu benennen.
Fiona ist dann verunsichert, denn in ihrer Familie wurde viel geschrien und ihre Eltern haben sie und ihre Geschwister geschlagen. Sie hat das Gefühl, wie auf Eierschalen zu laufen, wenn Mayram sich sehr ärgert oder wütend wird. Am liebsten würde Fiona sich dann unsichtbar machen, denn dann würde sie nicht mehr mit der Wut konfrontiert werden. Manchmal denkt Fiona: Ich bin doch auch nicht wütend – warum musst du es dann sein?
Was hinter dem wütenden Verhalten steckt
Wut ist eine normale und gesunde Emotion. Sie ist wichtig, denn sie zeigt uns die eigenen Grenzen und was wir nicht mitmachen und mittragen können/wollen. Wut ist wie ein Stopp-Schild oder ein Kompass, der zeigt: Hier stimmt etwas nicht, das lasse ich mir nicht gefallen. Sie kann auch eine Reaktion auf eine ungerechte Situation oder einen unfairen Zustand sein.
Leider hat Wut einen schlechten Ruf. Vielen Kindern schon früh beigebracht, dass ihre Wut unerwünscht ist. Insbesondere Mädchen und weiblich sozialisierte Kinder lernen, dass sie es anderen recht machen und ihren Ärger herunterschlucken sollen.
Bedeutend ist, dass wir einen guten Umgang mit unserer Wut lernen. Und das ist Übungssache. Wie auch ein Muskel Zeit und Training benötigt, um sich aufzubauen, so brauchen auch wir Zeit und Übung für den Umgang mit unserer eigenen Wut – und mit der von anderen Menschen.
Bei einem Konflikt oder im Umgang mit Wut werden im Gehirn die Reaktionen von „Kämpfen“, „Flucht“ oder „Totstellen“ aktiviert. Je nachdem, was Menschen bereits für Erfahrungen gemacht haben und was sie sich für den Umgang mit emotional belastenden Situationen angeeignet haben, reagieren sie mit einem dieser Muster. Eine größere Auseinandersetzung ist solch ein Stress für das Gehirn, dass andere Funktionen nicht mehr gut funktionieren wie z.B das logische Denken. Ist eine Person erst einmal aufgebracht, bekommt sie rasch einen Tunnelblick und verliert das große Ganze aus den Augen.
Was tun im Umgang mit wütenden Menschen?
Es ist schwer, Tipps für den Umgang mit wütenden Menschen zu geben, weil sich die Wut ganz unterschiedlich äußern kann. Manche regen sich einfach auf, müssen sich Luft machen, und dann ist es gut; sie schleppen es dann nicht so lange mit sich herum und sind auch nicht nachtragend. Sie brauchen es, dass ihre Wut zum Ausdruck kommen kann und es richtet sich nicht im negativen Sinn gegen andere. Andere wütende Personen explodieren und werden ungerecht, machen Vorwürfe, werden laut, attackieren ihr Gegenüber und beleidigen es. Und es gibt viel Raum dazwischen.
Noch einmal: Wut an sich ist nichts Schlechtes, im Gegenteil. Es ist nur die Frage, wie sie geäußert wird. Falls sich dein Gegenüber aggressiv verhält, ist dieser Blogartikel mit Titel „15 Tipps für den Umgang mit aggressiven Redner*innen“ vermutlich hilfreicher.
Dos
- Recht auf Wut zugestehen: Menschen haben das Recht dazu, wütend zu sein. Die Wut an sich ist nicht das Problem. Wütende Personen dürfen dich aber nicht anschreien, herunterputzen, beleidigen oder niedermachen.
- Verständnis und Mitgefühl zeigen: „Ich merke,du bist sauer.“ oder „Ich kann verstehen, dass du dich ärgerst.“ Oder als Frage formulieren: „Ich würde dich gerne besser verstehen. Was ärgert dich?“ Die Wörter „wütend“ und „Wut“ solltest du dabei vermeiden.
- Ruhig bleiben: Es ist schwierig, wenn das Gegenüber wütend ist, und es liegt nahe, ebenfalls in der Lautstärke hochzugehen und wütend zu reagieren. Aber Feuer kann nicht mit Feuer bekämpft werden. Achte deshalb darauf, so gelassen wie irgend möglich in der Situation zu bleiben und sachlich zu sprechen.
- Nachfragen: „Was ist genau passiert?“ Signalisiere, dass du es wirklich wissen und verstehen möchtest und zeige Interesse. Wütende Menschen möchten mit ihren Emotionen gesehen, gehört und verstanden werden. Übrigens: Das „genau“ in der Frage ist von Bedeutung, denn wütende Menschen neigen dazu, zu übertreiben und zu verallgemeinern, Wörter wie „immer“, „nie“, „permanent“ und „ständig“ zu benutzen. Nimm das nicht persönlich.
- Freundliche Geste: Biete deinem Gegenüber ein Glas Wasser, einen Tee, einen Kaffee an oder etwas anderes an, das Freundlichkeit zeigt. So wird das Reiz-Reaktions-Schema unterbrochen. Wie Feuer brennbares Material braucht, um sich auszubreiten, benötigt auch Wut etwas, um sich zu erhalten. Und wenn mit Freundlichkeit auf Wut reagiert wird, kann das durchaus entwaffnend wirken.
- Offenheit für eigene Fehler: Es ist in Ordnung, wenn sich herausstellt, dass der Ärger der anderen Person etwas mit dir, mit deinem Verhalten oder einem Fehler deinerseits zu tun hat. Es geht weder um gewinnen noch verlieren, noch um ein recht haben, und es ist keine Schande, wenn du dich geirrt hast. Entschuldige dich, wenn du merkst, dass du etwas in den Sand gesetzt hast.
- Wunschfrage stellen: „Was wünschst du dir von mir?“ Diese Frage ist ein Türöffner, ein Schritt auf die andere Person zu und lässt das Gegenüber zum Nachdenken bringen. Oft wissen wütende Menschen in der Situation gar nicht, was sie sich wünschen. Vielleicht sagt die wütende Person, dass sie Zeit braucht, um darüber nachzudenken. Dann könnt ihr ein anderes Mal an das Gespräch anknüpfen oder evtl. gemeinsam überlegen, was gut wäre.
- Pause einlegen: „Ich brauche gerade einen Augenblick, um darüber nachzudenken. Dazu gehe ich in die Küche und mache mir einen Tee. Möchtest du auch einen? Wir können gerne in 10 Minuten weitersprechen.“
- Deutlich ein Stopp signalisieren: Wenn dein Gegenüber ausfallend wird, dich persönlich oder unter der Gürtellinie angreift oder dich anschreit, ruhig sagen: „Ich möchte nicht, dass du so mit mir umgehst. Wir können in einer halben Stunde nochmal sprechen oder an einem anderen Tag. Was ist dir lieber?“ Die Wahl nur anbieten, wenn beides für dich passt. Falls du merkst, dass heute nichts mehr für dich geht, etwas sagen wie: „Ich will nicht, dass du mich anschreist. So kann ich nicht reden. Wir können morgen oder sonst nächste Woche nochmal daran anknüpfen.“
- Dich selber überdenken: Was sind deine „Trigger“? Wann siehst du Rot? Was braucht es, um dich auf die Palme zu bringen? Was benötigt es, damit bei dir das Rollo heruntergeht oder du laut oder gemein wirst? Und bei was holst du zum verbalen Gegenschlag aus?
.
Don’ts
- Die Situation erklären: Das kann entweder als Rechtfertigung und damit als ein sich unterordnen verstanden werden, oder aber als überlegene Geste, dass du es besser wüsstest als dein Gegenüber. Beides ist nicht hilfreich.
- Auf die wütende Person herunterschauen: Nur weil die Person wütend ist, heißt es nicht, dass sie nicht ernst genommen werden sollte oder dass sie nicht etwas wichtiges zu sagen hätte. Augenhöhe ist immer bedeutsam, auch wenn es um Wut geht.
- Dich emotional herausziehen: Es ist ok, dass du auch Gefühle hast und zeigst bei der Interaktion. Nicht die Person gewinnt, die sich am kühlsten zeigt. Es kann bei deinem Gegenüber auch etwas im Guten auslösen wenn sie merkt, dass dich die Situation nicht kalt lässt. Dich emotional aus der Auseinandersetzung zu ziehen, kann schnell arrogant wirken.
.
Was ist dein Umgang mit wütenden Menschen? Wie gehst du mit der Wut von anderen um? Was für Strategien hast du für dich gefunden und welche kannst du weiterempfehlen? Und was fandest du hilfreich von anderen, wenn sie auf deine Wut reagiert haben?
Ich freue mich auf deine Kommentare, Ideen, Vorschläge und Erfahrungen…
sagt Christa Schäfer
Was sind deine Erfahrungen im Umgang mit Doppelbotschaften? Was hat sich für dich als hilfreich erwiesen und was kannst du weiterempfehlen?
Ich freue mich über deine Ideen und Anregungen…
sagt Christa Schäfer
.
Lies hier mehr über den Umgang mit Menschen, die Doppelbotschaften nutzen.
Und trage dich hier ein, wenn du über meine neuen Blogartikel informiert werden möchtest …
2 Antworten
Gute Tipps
Nur helfen sie bei meiner Situation leider nicht
Was ist wenn sich der schreiende nicht beruhigt und immer unverschämter mir gegenüber wird
Hallo Helga,
o je, dein Kommentar ist erst jetzt bei mir erschienen. Tut mir leid, dass ich deshalb auch jetzt erst antworten kann. Hier also einige Hinweise, falls das Problem noch bestehen sollte.
Es tut mir leid zu hören, dass die Tipps in deiner Situation nicht ausreichend helfen. Wenn jemand nicht aufhört zu schreien und immer unverschämter wird, kann das wirklich belastend sein.
In solchen Fällen kann es helfen, einige zusätzliche Strategien auszuprobieren:
1. Setze klare Grenzen: Sag in ruhigem, aber bestimmten Ton so etwas wie: „Ich höre dir gerne zu, wenn wir ruhig miteinander sprechen können. So kann ich dir jetzt nicht helfen.“ Dadurch signalisierst du, dass du Respekt hast, den Ton aber nicht akzeptierst. In solchen Situationen kann dies Grenzen setzen manchmal allerdings dazu führen, dass die andere Person weiter ausrastet, weil sie denkt, sie hat einen Anspruch auf Ihr Schreien. Für dich ist es jedoch total ungesund und es ist wichtig diese Teufelsspirale aufzubrechen. Da hilft manchmal nur:
2. Distanz schaffen: Wenn sich die Person nicht beruhigt, kann es sinnvoll sein, das Gespräch zu beenden oder den Raum zu verlassen. Du kannst sagen: „Ich denke, wir reden später weiter, wenn wir beide ruhiger sind.“ Wenn es eine Paarbeziehung ist, wählen Frauen in solchen Situationen sogar manchmal den Weg ins Frauenhaus, um genügend Distanz zu haben und sicher zu sein. Aber da ist der Kontext natürlich wichtig, in dem solch ein Verhalten auftritt.
3. Hol dir Unterstützung: Wenn die Situation eskaliert, zögere nicht, dir Hilfe von anderen zu holen – ob Kolleg:innen, Freund:innen oder im heftigen Fall auch von professionellen Stellen. Niemand sollte dauerhaft unverschämtes Verhalten ertragen müssen.
4. Reflektiere deine eigenen Grenzen: Es ist wichtig, dir bewusst zu machen, wie viel du ertragen kannst und willst. Und dass du deine eigenen Bedürfnisse ernst nimmst. Manche hoch eskalierten Konflikte lassen sich nicht ohne externe Hilfe lösen, z. B. durch eine Mediation oder ein Coaching. Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn du dir Hilfe suchst – im Gegenteil, es zeigt Stärke, für dich selbst einzustehen.
Ich hoffe, diese Tipps können dir ein bisschen weiterhelfen. Alles Gute und viel Kraft! Wünscht dir Christa