In Deutschland halten statistisch gesehen 69% der Ehen ein Leben lang, 31% werden durch das Familiengericht geschieden. Eine statistische Erhebung darüber, wie viele dieser Ehescheidungen einvernehmlich durchgeführt werden, existiert nicht. Laut Rechtsanwalt Niklas Clamann dürfte die Zahl der Ehescheidungen, die tatsächlich vollkommen einvernehmlich ablaufen, verhältnismäßig gering ausfallen. In dem nachfolgenden Gastbeitrag erläutert Herr Clamann, weshalb die einvernehmliche Scheidung eine Seltenheit ist, welche Chancen eine Mediation im Zuge einer Trennung birgt und warum eine streitige Scheidung nie Gewinner:innen hervorbringt.
Herr Clamann führt eine Kanzlei in Münster (Westf.) und arbeitet hauptsächlich im Bereich des Familienrechts. Im Rahmen seiner Tätigkeit versucht er, stets auf die Beilegung von Konflikten zwischen den Ehegatten und somit auf eine einvernehmliche Scheidung hinzuwirken.
Besten Dank an Niklas Clamann für seine Sichtweise auf das Thema Einvernehmliche Scheidung und seinen Blick auf die Mediation, den er hier im folgenden mit uns teilt.
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Inhalt
Das Streitpotenzial ist bei Scheidung hoch
Der Bund der Ehe wird im Regelfall im Vertrauen darauf eingegangen, dass dieser ein Leben lang hält. Scheitert dieses gegenseitige Versprechen, kommt eine Vielzahl von klärungsbedürftigen Punkten auf, die nicht nur finanzieller Natur sind. So sind aus der Ehe oftmals Kinder hervorgegangen, die nun nicht mehr wie bisher im gemeinsamen Haushalt leben können. Es wurde gemeinsam eine Wohnung gemietet oder ein Haus gebaut, Möbel wurden gemeinsam angeschafft und nicht selten bereicherte auch ein Haustier das Familienleben. All diese Punkte sind nach einer Trennung, spätestens aber zur Scheidung zwischen den aufgrund der Trennung oft zerstrittenen und emotional aufgeladenen Ehegatten zu klären. Die finanziellen Aspekte kommen noch hinzu: Wie wird das gemeinsame Vermögen aufgeteilt, wer zahlt an wen Unterhalt und wie viel, wie werden die während der Ehe eingezahlten Rentenbeiträge behandelt? Das Potenzial für gerichtliche Streitigkeiten ist hoch.
Was bedeutet „einvernehmliche Scheidung“?
Von einer einvernehmlichen Scheidung spricht man dann, wenn die Ehegatten sich nicht nur in ihrem Willen zur Scheidung, sondern auch in allen oben genannten Punkten einig sind. Der Gesetzgeber ermöglicht diese Art der Scheidung: Geht beim Familiengericht ein Scheidungsantrag ein, so wird von dort aus neben der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen zur Scheidung der Ehe nur noch der Versorgungsausgleich, also die Aufteilung der Rente der Ehegatten, durchgeführt. In allen anderen Punkten wird es den Ehegatten überlassen, zunächst selbst eine Regelung zu finden. Das Familiengericht mischt sich in diese Angelegenheiten also sozusagen so lange nicht ein, wie dies nicht von einem der Ehegatten ausdrücklich beantragt wird. Nur wenn ein solcher Antrag von einem der Ehegatten gestellt wird, beispielsweise weil eine außergerichtliche Aufteilung des Vermögens der Ehegatten nicht möglich ist, übernimmt das Familiengericht diese Aufgabe und entscheidet über die Aufteilung gemeinsam mit der Ehescheidung im sogenannten „Verbundverfahren“.
Vorteile der außergerichtlichen Einigung
Wer Konflikte nicht vor Gericht trägt, schont dabei immer auch den Geldbeutel. Gerichtsverfahren können nicht nur sehr lange dauern, sondern auch hohe Kosten produzieren. Neben diesem eher offensichtlichen Grund gibt es noch viele weitere positive Aspekte einer außergerichtlichen Einigung.
So ist gerade die nervliche Belastung in familienrechtlichen Gerichtsverfahren besonders stark ausgeprägt. Ehegatten geht es oft gar nicht so sehr um einen inhaltlichen Sieg, also beispielsweise darum, möglichst hohe Unterhaltszahlungen vom anderen Ehegatten zu erhalten, sondern viel mehr um den psychologischen Aspekt. Die Trennung hat oft Wunden hinterlassen, nicht selten sind Kränkungen erlitten worden, der Stolz ist verletzt. Schnell entsteht dann die Illusion, dass ein Sieg vor Gericht diese Wunden heilen könne.
Die Erfahrung zeigt, dass dieser Plan fast nie aufgeht. Auch das Familiengericht wird als eine der obersten Prioritäten darauf hinwirken, dass die Ehegatten vor Gericht einen sogenannten Vergleich schließen, also eine gerichtliche Einigung erzielen, die genau so auch außergerichtlich hätte erzielt werden können. Selbst wenn aber kein Vergleich zustande kommt und das Familiengericht über eine Angelegenheit entscheidet, sind einhundertprozentige Siege eher selten. Das gewünschte Gefühl, als Sieger aus dem Verfahren zu gehen, wird sich also in der Regel nicht einstellen.
Zudem wird oft unterschätzt, wie viel Durchhaltevermögen familiengerichtliche Verfahren erfordern können. Gerade, wenn es um die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens geht, können viele Gerichtstermine und sogenannte Beweisaufnahmen nötig sein. Denn jeder einzelne Vermögenswert muss genau beziffert werden, wenn eine Aufteilung nach den gesetzlichen Bestimmungen stattfinden soll. Nicht nur das in Aktien investierte Geld, sondern auch das in Form von beispielsweise Immobilien angelegte Vermögen unterliegt ständigen Schwankungen und kann in der exakten Höhe oft nur von Sachverständigen festgestellt werden. Viele Termine und ein langer Atem sind folglich Voraussetzung einer gerichtlichen Entscheidung. Nicht selten bereuen Ehegatten ab einem bestimmten Zeitpunkt, den Schritt vor Gericht gewagt zu haben, und sehnen ein baldiges Ende des mitunter belastenden Verfahrens herbei.
Der Worst Case aber dürfte der Streit über Kindschaftssachen sein. Wird um das Sorgerecht oder das Umgangsrecht gestritten, finden auf die eine oder andere Art und Weise immer auch eine Einbeziehung des Kindes oder Kinder statt. Fast immer bekommen Kinder also mit, dass die Eltern um sie streiten und geben sich im schlimmsten Fall sogar selbst die Schuld für den Konflikt. Diese Beeinträchtigung des Kindeswohls in Form der gerichtlichen Geltendmachung einer Kindschaftssache sollte nach Möglichkeit immer vermieden werden, findet in der Praxis jedoch täglich statt. Zum Wohle der gemeinsamen Kinder kann gemeinsam mit dem Jugendamt eine einvernehmliche Regelung gefunden werden, ohne dass das Familiengericht eingeschaltet werden und ein Kind ein Gerichtsverfahren erleben muss.
Strittige Scheidungen sind die Regel
Dennoch stellt die gänzlich einvernehmliche Scheidung eher die Ausnahme dar. Das hat nicht selten mit dem Umfeld der Ehegatten zu tun. Familie und Freunde können große Hilfen sein, über schwere Abschnitte im Leben wie eine Trennung hinwegzukommen. Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Ehegatten aus ihrem Umfeld erzählt bekommen, wie die Bekannte oder der Freund bei ihrer oder seiner Scheidung „alles rausgeholt“ hat und am Ende als Sieger aus der Scheidung hervorgegangen ist. Leider lassen Ehegatten sich so immer wieder in Verfahren hineinreden, die sie so eigentlich nicht führen wollen.
Teilweise ist leider auch der anwaltliche Beistand darauf aus, das Mandat so lukrativ wie möglich zu gestalten. In den meisten Fällen sind es jedoch die durch die Trennung verletzten Gefühle, die die Ehegatten schließlich vor Gericht treiben. Wer beispielsweise betrogen worden ist, wird es sich unter Umständen nicht vorstellen können, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und eine einvernehmliche Regelung zu erarbeiten.
Chancen der Mediation
Insbesondere dann, wenn die Fronten verhärtet sind, sollte immer eine Mediation in Betracht gezogen werden. Aber auch nach einer milder verlaufenen Trennung ist es fast immer empfehlenswert, eine/n Mediator:in aufzusuchen. Das mitunter sehr komplexe Familienrecht stellt die Ehegatten meist vor große Herausforderungen. So kann es vorkommen, dass der grundsätzliche Wille zum Finden einer Einigung besteht, aber schlichtweg das Wissen darüber fehlt, welche Punkte angegangen werden müssen, wie die rechtliche Komponente aussieht und wie eine Einigung rechtswirksam festgehalten werden kann. Auf das Familienrecht spezialisierte Mediator:innen kennen die Rechtslage, vermitteln zwischen den Ehegatten und unterstützen sie professionell bei der Definition und Lösung des Konflikts, sodass zum Abschluss der Mediation eine umfassende Einigung erarbeitet sein kann. Sie können gerade bei Ehegatten, deren Gespräche regelmäßig in Streit übergehen, eine neutrale Rolle einnehmen und das Gespräch in eine zielführende Richtung leiten.
Fazit
Obwohl es auf der Hand zu liegen scheint, dass die einvernehmliche Scheidung für alle Beteiligten die beste Lösung ist, ist sie in der Praxis doch eine Seltenheit. Zu viele teils äußere und teils innere Einflüsse stehen dem Erarbeiten einer außergerichtlichen Einigung meist entgegen. Die Mediation kann dann fast immer Abhilfe schaffen und ist nicht nur bei sehr konfliktreichen Fällen eigentlich immer empfehlenswert. Auch ich als Anwalt kann Einfluss auf den Verlauf der Scheidung nehmen und versuche dies stets dafür zu nutzen, auf eine möglichst einvernehmliche und reibungslose Scheidung hinzuwirken. Den grundsätzlichen Willen zum Finden einer Einigung müssen jedoch in letzter Konsequenz immer die Ehegatten selbst mitbringen.
12 Antworten
Mein Mann und ich lassen uns scheiden und haben in den letzten Wochen viel daran gesetzt uns außergerichtlich zu einigen. Wir hatten auch schon einen über einen Mediator gesprochen aber konnten uns auch mit diesem nicht einigen. Mir wurde in diesem Blog noch einmal die Langatmigkeit einer Scheidung bewusst, so dass ich doch die Vorteile von einer professionellen Unterstützung sehe.
Hallo Martina,
es tut mir leid zu hören, dass dein Versuch, sich außergerichtlich zu einigen, bisher noch nicht erfolgreich war. Die Entscheidung für professionelle Unterstützung durch Mediation ist meist sehr hilfreich, um den Prozess zu erleichtern. Dennoch: Jeder Scheidungsfall ist einzigartig, und es ist wichtig, die Option zu wählen, die am besten zur Situation passt. Ich wünschen dir alles Gute auf dem Weg zur einvernehmlichen Scheidung …
sagt Christa
Ein Anwalt für Familienrecht spielt eine entscheidende Rolle in Trennungs- und Scheidungssituationen. Er bietet rechtliche Unterstützung und hilft dabei, faire Lösungen für alle Beteiligten zu finden. Die Expertise eines Familienrechtsanwalts ist in solchen emotionalen und komplexen Angelegenheiten von unschätzbarem Wert.
Absolut, die Rolle eines Anwalts für Familienrecht kann in Trennungs- und Scheidungssituationen nicht hoch genug eingeschätzt werden, da sie rechtliche Klarheit und Fairness sicherstellen. Doch ebenso können Mediator:innen von unschätzbarem Wert sein, die oft im Vorfeld oder im Hintergrund wirken, um eine Brücke zwischen den betroffenen Parteien zu bauen. Mediator:innen arbeiten daran, die Kommunikation zu verbessern, Missverständnisse zu klären und einen Raum für die Beteiligten zu schaffen, in dem sie offen und konstruktiv zusammenarbeiten können. Ihre Fähigkeit, neutral zu bleiben und den emotionalen Kern von Konflikten zu erkennen, ist entscheidend, um Lösungen zu finden, die über das rein Rechtliche hinausgehen und die Bedürfnisse aller berücksichtigen.
Freunde von mir machen auch gerade eine einvernehmliche Scheidung durch. Sie haben sich einen Scheidungsanwalt genommen, über den sie hauptsächlich kommunizieren. Bis jetzt sieht alles nach einer außergerichtlichen Einigung aus.
Hallo,
es ist ermutigend zu hören, dass deine Freunde einen Weg gefunden haben, ihre Scheidung einvernehmlich zu gestalten.
Die Einschaltung eines Scheidungsanwalts, über den die Kommunikation läuft, ist meist tatsächlich sehr hilfreich sein. Eine außergerichtliche Einigung ist oft weniger stressig, psart Zeit und Ressourcen. Ich wünsche deinen Freunden weiterhin einen reibungslosen Prozess und alles Gute für ihren zukünftigen Wege.
Viele Grüße von Christa
Durch den Beitrag ist es besser nachvollziehbar, weshalb eine nicht einvernehmliche Scheidung meistens teurer ausfällt und mehr Zeit in Anspruch nimmt. Meine Frau und ich werden uns auch scheiden lassen. Wir sind uns dabei einig, jedoch werden wir uns dafür jeweils einen eigenen Anwalt für Scheidungen suchen.
Hallo, vielen Dank für deinen Kommentar und das Teilen deiner persönlichen Situation. Es ist gut zu hören, dass der Beitrag dir geholfen hat, die Komplexität und die möglichen Kosten einer nicht einvernehmlichen Scheidung besser zu verstehen.
Es ist sicherlich auch eine gute Entscheidung, dass du und deine Frau, dass ihr euch jeweils für einen eigenen Anwalt entscheidet. Dies stellt sicher, dass die Interessen beider Parteien fair und umfassend vertreten werden. In solchen Situationen ist es wichtig, eine offene Kommunikation zu pflegen und alle Aspekte der Trennung sorgfältig zu betrachten, um langfristig das beste Ergebnis für beide Seiten zu erreichen.
Ich wünsche euch beiden in diesem Prozess alles Gute und hoffe, dass ihr zu einer fairen und einvernehmlichen Lösung findet, die es euch ermöglicht, positiv in die Zukunft zu blicken. Beste Grüße von Christa
So eine einvernehmliche Scheidung oder Trennungsvereinbarung ist sehr gut, aber auch ein Anwalt für Scheidungsrecht kann wertvolle Beratung sein.
Ganz genau, darum sind die Spezialisierungen ja auch so besonders wichtig. So kann man sich bereits vorher gut informieren, wo man am Besten aufgehoben ist …
Es ist spannend, wie der Artikel die Vorteile einer Mediation bei Scheidungen hervorhebt. Besonders für Unternehmer, die ihre Praxis verkaufen, könnte eine einvernehmliche Lösung viel Zeit und Geld sparen.
Hat jemand Erfahrungen damit gemacht, wie eine Mediation den Prozess des Praxisverkaufs beeinflusst hat? Wäre es nicht sinnvoll, mehr auf solche außergerichtlichen Einigungen zu setzen?
Hallo Maurice,
vielen Dank für deinen Kommentar und dein Interesse am Thema Mediation bei Scheidungen, insbesondere im Kontext von Unternehmern, die ihre Praxis verkaufen wollen. Du triffst einen wichtigen Punkt mit deiner Überlegung, dass eine einvernehmliche Lösung sowohl Zeit als auch Geld sparen kann.
Mediation bietet tatsächlich eine Plattform für offene Gespräche und kann helfen, komplexe Angelegenheiten wie den Verkauf einer Praxis effektiv zu navigieren. Dabei werden nicht nur der emotionale, sondern auch der finanzielle und betriebliche Aspekt berücksichtigt. Indem beide Parteien aktiv an der Lösungsfindung teilnehmen, kann eine Mediation zu nachhaltigeren und zufriedenstellenden Einigungen führen, die sonst in gerichtlichen Auseinandersetzungen möglicherweise nicht erreicht würden.
Es gibt durchaus Beispiele, wo Mediation den Verkaufsprozess einer Praxis positiv beeinflusst hat, indem sie die Kommunikation zwischen den Parteien verbesserte und zu klaren, durchführbaren Vereinbarungen geführt hat. Diese Art der Konfliktlösung kann besonders dort wertvoll sein, wo langfristige Beziehungen und berufliche Reputationsfragen im Spiel sind.
Dir alles Gute wünscht Christa