In der Geschichte der Menschheit gab es viele Konflikte, die oft in Form von Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen ausgetragen wurden. Aber es gibt auch eine andere Art von Konflikten, die nicht mit Waffengewalt, sondern mit subtileren Mitteln ausgetragen werden. Diese Konflikte werden als „kalte Konflikte“ bezeichnet und können genauso verheerende Auswirkungen haben wie offene und heiße Konflikte. Man erlebt kalte Konflikte wie einen Eisberg, der eine große Menge Kälte verströmt.
Alle Konflikte zeigen in der Beginnphase sowohl heiße als auch kalte Anzeichen. Erst in späteren Phasen kann der Konflikt eindeutig als heißer oder kalter Konflikt weitergehen. In diesem Blogartikel geht es speziell um kalte Konflikte.
Inhalt
Was sind kalte Konflikte?
Kalte Konflikte sind Situationen, in denen zwei oder mehr Parteien einander feindlich gegenüberstehen, ohne dabei verbale oder körperliche Gewalt auszuüben. Dieser Konflikt wird nicht offen ausgetragen, sondern bleibt eher unter der Oberfläche. Das bedeutet, dass die beteiligten Parteien nicht direkt miteinander kommunizieren. Stattdessen werden subtile Taktiken eingesetzt, um den Gegner zu schwächen oder zu isolieren. Dies kann beispielsweise durch Kontaktabbruch, durch die Verbreitung von Gerüchten, die Blockierung von Kommunikationskanälen oder sogar die Unterstützung von Gegnern der Gegenseite erfolgen. Diese Art der Konflikte können in der Familie, in einer Freundschaft oder Arbeitsumgebung stattfinden, auch zwischen Ländern und Organisationen. Sie können oft Jahre oder sogar Jahrzehnte andauern.
Kurz gesagt lässt sich ein kalter Konflikt charakterisieren durch:
- Verdeckte Auseinandersetzung
- Unterdrückte Emotionalität
- Vermeidung von Konfrontation
- Resignation statt Aggression
- Ein zerstörtes Selbstwertgefühl
Woran erkennt man kalte Konflikte?
Vielleicht hast du schon mal einen kalten Konflikt gespürt. Du hast einen Raum betreten und sogleich eine eisige Stimmung gespürt. Alle Personen sind vordergründig freundlich und verneinen, dass ein Konflikt sich ausgebreitet hat. Und dennoch: Du bekommst eine Gänsehaut, so gefühlt frostig ist die Stimmung im Raum. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass hier ein kalter Konflikt stattfindet.
Außer dieser unterkühlten Stimmung sind kalte Konflikte oft schwer zu erkennen, da sie sich im Verborgenen abspielen. Ein Hinweis kann sein, dass sich zwischen den beteiligten Parteien eine Atmosphäre der Feindseligkeit und des Misstrauens breit gemacht hat, auch wenn keine offensichtlichen Auslöser festzustellen sind. Andere Anzeichen können sein, dass eine Partei plötzlich ihre Zusammenarbeit einstellt oder es Schwierigkeiten gibt, Entscheidungen zu treffen. Und manchmal ist es auch ganz einfach der Kontaktabbruch, an dem der kalte Konflikt zu erkennen ist.
Was kann die Ursache für einen kalten Konflikt sein?
Die Ursachen für einen kalten Konflikt können vielfältig sein. Im Allgemeinen entsteht ein kalter Konflikt, wenn es zwischen den beteiligten Parteien ungelöste Probleme oder unerfüllte Bedürfnisse gibt, die nicht ausgesprochen oder angegangen werden. Hier sind einige mögliche Ursachen für einen kalten Konflikt:
- Unterschiedliche Erwartungen: Wenn die beteiligten Parteien unterschiedliche Erwartungen an eine Situation oder Beziehung haben, kann dies zu einem kalten Konflikt führen. Zum Beispiel können unterschiedliche Vorstellungen über Rollen oder Verantwortlichkeiten zu Missverständnissen und Spannungen führen.
- Kommunikationsprobleme: Ein Mangel an offener und ehrlicher Kommunikation kann dazu führen, dass Unzufriedenheit oder Frustration unausgesprochen bleiben und sich im Laufe der Zeit zu einem kalten Konflikt entwickeln.
- Unausgesprochene Emotionen: Wenn eine Partei ungelöste Emotionen wie Wut, Frustration oder Enttäuschung hat und diese nicht ausdrückt, kann dies zu einem kalten Konflikt führen.
- Unterschiedliche Werte und Überzeugungen: Unterschiedliche Werte und Überzeugungen können zu Konflikten führen, wenn sie nicht ausgesprochen oder nicht respektiert werden.
- Konkurrenz: Wenn die beteiligten Parteien in Konkurrenz zueinander stehen, um Ressourcen, Aufmerksamkeit oder Erfolg, kann dies zu einem kalten Konflikt führen.
Ein Beispiel für einen kalten Konflikt
Die Schüler:innen der Jahrgangsstufe 12 hatten in den vergangenen Wochen immer wieder Meinungsverschiedenheiten untereinander. Es ging um das Thema Klimawandel und es haben sich zwei Lager in der Klasse aufgebaut. Es gab lange Diskussionen, Frustration und Verständnislosigkeit. Schließlich gaben die Schüler:innen die Kommunikation auf. Verschiedene Schüler:innen gingen einander aus dem Weg und sprachen kaum miteinander. Die Stimmung wurde eisig, ein kalter Konflikt entstand. Das war gerade jetzt, so kurz vor den Abiturklausuren keine gute Sache.
Die Wochen vergingen. Der Lehrer der Klasse, Herr Johnson, hatte diesen Prozess mitbekommen und wollte etwas gegen die angespannte Stimmung in der Klasse tun. Er entschied sich, ein Gespräch zu moderieren, um den Schüler:innen zu helfen, ihre Konflikte offen und ehrlich ansprechen zu können. Am nächsten Tag stellte er einen Stuhl in einem Kreis in der Mitte des Raumes auf und forderte die Schüler:innen auf, sich im Kreis um den Stuhl zu setzen.
Jede:r aus der Klasse hatte jetzt die Gelegenheit, auf dem Stuhl Platz zu nehmen und seine Meinung zu den Konflikten in der Klasse auszudrücken, während die anderen Schüler zuhörten. Herr Johnson ermutigte die Schüler, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken, ohne unterbrochen oder kritisiert zu werden.
Nachdem jede:r Schüler:in seine Gedanken ausgedrückt hatte, motivierte Herr Johnson alle, gemeinsam eine Lösung zu finden. Die Schüler:innen diskutierten darüber, wie sie in Zukunft besser miteinander kommunizieren könnten und wie sie Konflikte in der Zukunft lösen könnten. Sie vereinbarten zudem in Anbetracht der nahenden Abiturklausuren „Waffenstillstand“ und gegenseitigen Respekt.
Nach dem Gespräch war eine spürbare Veränderung in der Klasse zu merken. Die Schüler:innen hatten das Gefühl, dass ihre Meinungen gehört wurden und dass sie eine bessere Verbindung zueinander hatten. Der kalte Konflikt in der Klasse war gelöst.
Können kalte Konflikt gelöst werden?
Ja, kalte Konflikte können gelöst werden, jedoch erfordern sie oft einen anderen Ansatz als akute oder heiße Konflikte. Da kalte Konflikte oft langsam und schleichend entstehen und von unterdrückten Emotionen und unausgesprochenen Problemen geprägt sind, kann ihre Auflösung mehr Zeit und Geduld Wie arbeite ich als Mediator:in einem kalten Konflikt?
Kalte Konflikte brauchen eine Betonung der Emotionen
Ist in einer Mediation die emotionale Beteiligung der Medianden gering, so wird „nur“ über den Konflikt gesprochen, die Konfliktparteien kommen aber nicht ins „Erleben“ des Konfliktes und in den Kontakt miteinander. Günstig sind Methoden, die näher an die Gefühle heranführen. Diese Methoden stellen zunächst den Kontakt zu sich selbst her und dann erst im zweiten Schritt die Verbindung zum Konfliktgegenüber.
Besonders wichtig ist der Schutz der Medianden durch den sicheren Rahmen. Nur so können im kalten Konflikt die Anliegen eingebracht werden und die Konfliktparteien wieder in die Gemeinschaft zurück finden.
Ebenfalls passt ein assoziatives Vorgehen in kalten Konflikten. Diese Art vorzugehen dient insbesondere der Wahrnehmung und Verarbeitung der abgespaltenen Gefühle. Hierdurch kann ein Vermeidungsverhalten aufgelöst und die direkte Auseinandersetzung gefördert werden.
Weiterhin müssen die Interventionen das Selbstvertrauen der Konfliktparteien aufbauen. Und durch einen großen Schutz für die Konfliktbeteiligten können die Medianden dann auch die verloren gegangene Selbstkontrolle zurück erlangen.
Quelle: Elke Schwertfeger und Christian Bähner „Arktis oder Sahara?“ in Peter Knapp (Hrsg.): Konfliktlösungs-Tools. managerSeminare Vlg S. 28ff.
Wie kann ich kalte Konflikte behutsam aufwärmen?
Ich empfehle hierzu assoziative Bild- oder Gefühlskarten. Die Verwendung derartiger Karten kann in der Mediation dazu beitragen, kalte Konflikte aufzuwärmen und sie kann den Medianden die Möglichkeit geben, sich auszudrücken und in die Perspektivübernahme zu gehen.
Oftmals fühlen sich Medianden in einem kalten Konflikt in der Konfliktsituation gefangen und sind nicht in der Lage, ihre Emotionen und Gedanken klar auszudrücken. Mit Hilfe von assoziativen Bild- oder Gefühlskarten können sie jedoch ihre Emotionen und Gedanken in visueller Form ausdrücken. Durch die Verwendung von Karten können sie ihre eigenen Emotionen und Gedanken besser verstehen und die Emotionen und Gedanken des anderen besser nachvollziehen. Dadurch können sie in die Perspektivübernahme gehen und ihren Konflikt aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.
Die Verwendung von Bild- oder Gefühlskarten kann auch dazu beitragen, eine Verbindung zwischen den Medianden herzustellen. Sie können gemeinsam die Karten anschauen und entdecken, welche Emotionen und Gedanken sie teilen. Auf diese Weise können sie einen gemeinsamen Ausgangspunkt für die Lösung ihres Konflikts finden.
In der Mediation können ganz verschiedene Arten von Bild- oder Gefühlskarten verwendet werden, sehr gerne nutze ich beispielsweise die Gefühlsmonster. Stets ist wichtig, dass die Karten relevante und auch ansprechende Bilder und Symbole enthalten, auf die sich die Medianden einlassen können. Wichtig ist auch, dass die Medianden mit der Nutzung dieser Methode wohl und sicher fühlen, und dass die Karten nicht als Werkzeug zur Manipulation eingesetzt werden.
Christian Bähner spricht in seinem Artikel „Brennessel“ von folgenden Schritten, um die Konfliktparteien in einem kalten Konflikt „aufzuwärmen“:
- Würdigung der Situation
- Einfühlung über engmaschiges Zuhören
- Fokussierung auf die Körperwahrnehmung über Fragen und empathisches Zuhören
- Verbalisieren der Gefühle unter Zuhilfenahme von Metaphern
- Bewusste Verlangsamung des Prozesses durch Wiederholungsschleifen und Pausen
Quelle: Christian Bähner „Brennessel“ in Peter Knapp (Hrsg.): Konfliktlösungs-Tools. managerSeminare Vlg S. 131.
Sind kalte Konflikt „aufgewärmt“, können Lösungen möglich werden.
Ich drücke dir die Daumen für die kalten Konflikte, die dir begegnen werden. Wie reagierst du üblicherweise bei kalten Konflikten?
Fragt Christa
4 Antworten
Ich habe einen kalten Konflikt mit meinem Sohn (22) seit mehreren Jahren. Ich konnte ihn bis dato nicht lösen und versuche jetzt mich der Situation zu entziehen, in dem ich ihn „vor die Tür setze“. Ziel ist für mich einerseits, den Kontakt zu reduzieren, damit er mehr Kontakt zu anderen (Kumpels, evtl. auch Kollegen) aufbaut und andererseits, dass er die Komfortzone verlässt, damit er sich selbst kümmern muss und endlich einen Job/Ausbildung anfängt. Ich kann nur hoffen, dass dieser „Tapetenwechsel“ etwas bringt …
Ich habe keine Idee, wie ich sonst den kalten Konflikt aufwärmen könnte, wie Sie schreiben.
Gruß
Solveig Rose
Hallo Solveig, danke für deine Gedanken. Es tut mir sehr leid, dass du mit deinem Sohn seit längerem einen Konflikt hast, ohne ihn bisher lösen zu können. Belastend ist er auf jedem Fall, das entnehme ich deinem Kommentar. Und wenn man – so wie du – selber eine der Konfliktparteien ist, dann ist es in so einem Fall tatsächlich schwierig, den Konflikt alleine und ohne die Unterstützung einer allparteilichen dritten Person anzugehen. Da sind die Ohren bei der anderen Streitpartei meist gut verschlossen und lassen nichts durch. Vielleicht ist ja deine neue Strategie hilfreich, das vermag ich nicht einzuschätzen, da ich zu wenig über den Konflikt weiß. Dennoch wünsche ich dir und euch alles Liebe und Gute. Vielleicht bewegt sich ja in der nächsten Zeit etwas in Richtung Klärung. Beste Grüße von Christa
Ich habe einen sehr kalten Konflikt mit meiner 17-jährigen Tochter, die seit 9 Wochen nicht oder nur sachlich-kalt das Allernotwendigste mit mir spricht – wenn sie etwas braucht, was selten vorkommt. Sie geht mir aus dem Weg, schaut mir nicht in die Augen. Ich denke, sie ist sauer, dass ich seit 1,5 Jahren einen festen Freund habe (von ihrem Vater habe ich mich vor 4 Jahren getrennt). Gleiche Phasen gibt es seit drei Jahren immer wieder. Meine Versuche, mit ihr zu sprechen, blockt sie ab. Dass sie aktuell seit 9 Wochen schweigt und einmal sogar 7 Monate am Stück nicht mit mir sprach, glaubt sie nicht. Das Einzige, was sie mal verriet, war, dass sie aus gutem Grund sauer auf mich sei – sie will aber nicht darüber sprechen und behält es lieber für sich. Ich glaube, ihr gefällt diese Machtposition. Mir geht es damit sehr schlecht. Wie soll ich hier eine Lösung finden?
Oh je. Es tut mir wirklich leid zu hören, dass du gerade eine so schwierige Zeit mit deiner Tochter durchmachst. Konflikte innerhalb der Familie, besonders zwischen Elternteil und Kind, können sehr schmerzhaft sein. Es ist wichtig zu verstehen, dass eine Kommunikationssperre eine Form von Gewalt sein kann, die sowohl die Person, die sie ausübt, als auch die Person, die sie erfährt, emotional sehr belastet. Es scheint so, als ob deine Tochter im Moment keine andere Möglichkeit sieht, sich auszudrücken oder mit der Situation umzugehen, was natürlich für beide Seiten sehr hart ist.
Das Wichtigste ist aus meiner Sicht, dass du dranbleibst, ohne Zwang auszuüben. Ein offener Brief an deine Tochter könnte ein guter Weg sein, um deine Gefühle und Gedanken in einer ruhigen und überlegten Weise auszudrücken. Teile ihr mit, wie wichtig dir die Beziehung zu ihr ist und dass du offen für Gespräche bist, um Missverständnisse oder Konflikte zu klären. Es ist wichtig, ihr zu vermitteln, dass du ihre Gefühle und ihre Perspektive ernst nimmst und bereit bist, an einer Lösung zu arbeiten. Dass du aber auch ihr den Raum und die Zeit lässt, bis sie bereit dazu ist.
Eine Mediation vorzuschlagen könnte auch eine gute Möglichkeit sein, den Dialog wieder aufzunehmen. Ein neutraler Dritter kann dabei helfen, die Kommunikation zwischen euch beiden zu erleichtern und einen sicheren Raum für den Austausch von Gefühlen und Gedanken zu schaffen. Es könnte eurer Beziehung sehr zugutekommen, einen Weg zu finden, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren, ohne dass sich jemand angegriffen oder missverstanden fühlt.
Es ist wichtig zu erkennen, dass hinter ihrer Ablehnung mehr stecken könnte, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Die Tatsache, dass sie sagt, sie sei aus einem guten Grund sauer auf dich, aber nicht darüber sprechen möchte, deutet darauf hin, dass sie möglicherweise Zeit und Raum braucht, um ihre eigenen Gefühle zu verstehen und zu verarbeiten. Gib ihr zu verstehen, dass du da bist, wenn sie bereit ist zu sprechen, und dass du bereit bist, zuzuhören und gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.
Letztendlich ist Geduld entscheidend. Es mag Zeiten geben, in denen Fortschritte langsam oder schwer zu erkennen sind, aber durch kontinuierliches Engagement und den Wunsch, die Beziehung zu verbessern, können positive Veränderungen entstehen. Es ist wichtig, dass du auch auf dich selbst achtest und Unterstützung suchst, wenn du sie brauchst, sei es durch Freunde, Familie oder professionelle Hilfe. Viele Mediator:innen bieten auch ein Konfliktcoaching an, in dem du den Konflikt durchsprechen könntest. Vielleicht ist auch dies eine gute und gangbare Möglichkeit für dich.
Ja, und dann wünsche ich dir alles Liebe und Gute für diese schwierige Situation. Viele Grüße von Christa
Ich hoffe aufrichtig, dass du und deine Tochter einen Weg finden, euch wieder anzunähern und eine stärkere, gesündere Beziehung aufzubauen.