„Du hast hier gar nichts zu sagen.“
„Wenn Erwachsene reden hast du still zu sein.“
„Was stellst du dich denn schon wieder so an?“
„Das erklärte ich dir später, dazu bist du noch zu klein.“
„Wenn du älter bist wirst du verstehen warum ich Recht habe.“
„Das braucht keine Begründung, wenn ich das sage wird das gemacht.“
Diese Sätze zeigen, wie leicht Erwachsene die Meinungen, Wünsche und Fähigkeiten von Kindern abwerten oder übergehen, ohne sich groß darüber Gedanken zu machen. Das ist Adultismus.
Inhalt
Was ist Adultismus?
Adultismus ist die Diskriminierung von Kindern. Genauer gesagt eine Form von Diskriminierung, die auf dem Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern basiert. Es geht darum, dass Erwachsene ihre Position nutzen, um die Meinungen, Bedürfnisse und Rechte von Kindern und Jugendlichen zu übergehen oder zu unterdrücken. Und das, oft ohne es überhaupt zu merken.
Adultismus ist ein Begriff, der vielleicht im ersten Moment etwas sperrig klingt, aber eine tiefe Bedeutung in unserem Alltag hat. Als ich das erste Mal davon hörte, war mir sofort klar, dass dies ein Thema ist, das uns alle betrifft – egal ob wir Eltern, Pädagog:innen oder sonstige Erwachsene sind, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.
Adultismus ist oft die erste Form von erlebter Diskriminierung, die Menschen erleben. Kinder lernen hier früh, dass die Abwertung und Unterdrückung anderer Personen in Ordnung ist. Dabei wäre Partizipation bereits im Kita-Kontext eine wichtige Grundlage, um Kindern frühzeitig das Gefühl von Wertschätzung und Respekt zu vermitteln.
Warum ist das Thema so wichtig?
Weil Adultismus tief in unserer Gesellschaft verankert ist und unbemerkt den Alltag prägt – in der Kita, in der Schule, zu Hause. Wir alle haben sicherlich schon Situationen erlebt, in denen die Meinung eines Kindes als weniger wichtig angesehen wurde, einfach weil es ein Kind ist. Diese Haltung, die oft gut sogar gut gemeint ist, kann jedoch dazu führen, dass Kinder und Jugendliche sich nicht gehört, nicht ernst genommen und letztlich nicht respektiert fühlen.
In diesem Artikel möchte ich nicht nur erklären, was Adultismus ist, sondern auch, wie du ihn in deinem Alltag erkennen und verhindern kannst. Es geht darum, einen neuen Blick auf die Interaktion mit Kindern zu werfen – einen Blick, der auf Augenhöhe achtet, und der von Respekt, Wertschätzung und der Anerkennung ihrer Rechte geprägt ist. Denn nur so können wir eine Umgebung schaffen, in der sich Kinder wirklich gesehen und gehört fühlen. Kinderrechte statt Adultismus.
Ich lade dich ein, mit mir in dieses wichtige Thema einzutauchen und gemeinsam Wege zu finden, wie wir Adultismus entgegenwirken und eine Kultur des gegenseitigen Respekts aufbauen können.
Beispiele aus Kita, Grundschule und co
Adultismus begegnet uns täglich – in den kleinen, oft unscheinbaren Momenten, die wir vielleicht gar nicht bewusst wahrnehmen. Wenn ich zurückblicke, fallen mir zahlreiche Situationen ein, in denen ich früher selber Adultismus erlebt habe. Hast du als Kind auch Adultismus erlebt? Schreib gerne ein Beispiel dazu in die Kommentare, das dich heute noch beschäftigt.
Kita: Die „unpassende“ Kleidung
Ein Kind in der Kita entscheidet sich an einem warmen Frühlingstag dafür, seinen mummeligen Lieblingspullover zu tragen, obwohl dies für das Wetter vielleicht nicht die praktischste Wahl ist. Die Erzieherin bemerkt das und sagt: „Zieh das aus, das ist viel zu warm für heute.“ Und schon schnappt sie sich den Pullover und hat sie dem Kind ausgezogen. Hier wird dem Kind das Recht auf Selbstbestimmung in Bezug auf seine Kleidung genommen, was das Vertrauen in seine eigenen Entscheidungen untergraben kann.
Grundschule: Das „überflüssige“ Hobby
Ein Grundschüler teilt seiner Lehrerin begeistert mit, dass er am Wochenende angefangen hat, sich für das Kochen zu interessieren und bereits einige einfache Gerichte zubereitet hat. Die Lehrerin geht nicht weiter darauf ein und sagt: „Konzentriere dich lieber auf deine Matheaufgaben, das ist wichtiger.“ Indem sie das Hobby des Kindes als weniger relevant abtut, zeigt sie, dass seine Interessen und Leidenschaften nicht zählen, was dazu führen kann, dass das Kind seine eigenen Neigungen und Fähigkeiten weniger wertschätzt.
Weiterführenden Schule: Die „unbeachtete“ Meinung
In einer weiterführenden Schule beteiligt sich eine Schülerin aktiv an einer Diskussion im Unterricht und äußert eine Meinung, die von der des Lehrers abweicht. Anstatt auf ihre Argumente einzugehen, weist der Lehrer ihre Ansicht einfach mit den Worten „Das ist ja Quatsch“ zurück, ohne eine Erklärung zu geben oder einen Dialog zu eröffnen. Diese Art der Abwertung ihrer Meinung kann das Gefühl vermitteln, dass ihre Perspektive unwichtig ist, was ihre Bereitschaft, sich in zukünftige Diskussionen einzubringen, erheblich beeinträchtigen kann.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie Adultismus in verschiedenen Bildungseinrichtungen vorkommen kann. Und es zeigt, wie wichtig es ist, die Autonomie und Meinungen von Kindern und Jugendlichen zu respektieren. Kinderrechte statt Adultismus.
Gibt es ein Gegenteil von Adultismus?
Das Gegenteil von Adultismus ist Partizipation, die aktive Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in Entscheidungen, die sie betreffen. Partizipation bedeutet, ihre Meinungen und Bedürfnisse ernst zu nehmen und sie als gleichberechtigte Gesprächspartner zu behandeln. Während Adultismus auf Machtungleichheit basiert und Kinder oft übergangen werden, fördert Partizipation Selbstbewusstsein, Eigenverantwortung und das Gefühl, gehört zu werden. Sie ermöglicht es Kindern, ihre Umwelt aktiv mitzugestalten. Mitgestalten in der Familie, in der Schule oder in der Gesellschaft. Das stärkt die demokratischen Kompetenzen der Kinder und ihr Selbstwertgefühl. Kinderrechte statt Adultismus.
Dann hat Adultismus etwas mit Kinderrechten zu tun?
Genau, Kinderrechte und Adultismus stehen sich direkt als unvereinbar gegenüber. Während Adultismus auf einem Machtungleichgewicht zwischen Erwachsenen und Kindern basiert, zielen Kinderrechte unter anderem darauf ab, Kindern eine Stimme zu geben.
Die Kinderrechte, wie sie in der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten sind, definieren die grundlegenden Rechte, die jedem Kind weltweit zustehen. Dazu gehören das Recht auf Schutz, Förderung und Beteiligung. Diese Rechte sind universell und unveräußerlich. Das bedeutet, dass sie jedem Kind unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder sozialem Status zustehen.
Adultismus untergräbt die Anerkennung dieser Rechte.
Adultismus äußert sich oft dadurch, dass die Meinungen und Ansichten von Kindern nicht ernst genommen oder als weniger wichtig angesehen werden. Wenn Erwachsene Entscheidungen treffen, ohne die Perspektive der Kinder einzubeziehen, wird dieses Grundrecht verletzt. Recht auf Meinungsäußerung (Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention)
Kinder haben das Recht, an Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt zu werden. Adultismus kann jedoch dazu führen, dass Kinder von diesen Prozessen ausgeschlossen werden. Ein Beispiel wäre, wenn Kinder in der Schule keine Möglichkeit haben, sich in Klassenräte oder Schülervertretungen einzubringen, weil ihre Beiträge als weniger relevant betrachtet werden. Recht auf Beteiligung (Artikel 12 und 13 der UN-Kinderrechtskonvention)
Adultismus ist eine Form der Diskriminierung, die auf dem Alter basiert. Kinder und Jugendliche werden aufgrund ihres Alters als weniger fähig oder wertvoll betrachtet. Das ist eine direkte Verletzung ihres Rechts auf Gleichbehandlung. Recht auf Schutz vor Diskriminierung (Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention)
Gewalt in der Erziehung kann nicht nur physischer Natur sein, sondern auch psychisch. Beispielsweise durch herabwürdigende Kommentare oder das Ignorieren der Bedürfnisse von Kindern. Adultismus fördert ein Umfeld, in dem solche Verhaltensweisen als normal angesehen werden. Recht auf eine gewaltfreie Erziehung (Artikel 19 der UN-Kinderrechtskonvention)
Deshalb: Kinderrechte statt Adultismus
Als Erwachsene haben wir eine besondere Verantwortung, die Kinderrechte aktiv zu fördern und Adultismus entgegenzuwirken. Dazu sind folgende fünf Bs besonders wichtig:
Bewusste Reflexion der eigenen Vorurteile
Wir sollten uns regelmäßig fragen, ob wir bestimmte Verhaltensweisen oder Meinungen von Kindern aufgrund von Stereotypen oder eigenen Erfahrungen bewerten. Und ob diese Bewertungen gerechtfertigt sind. Es kann hilfreich sein, sich in die Lage des Kindes zu versetzen. Es kann wichtig sein zu überlegen, wie sich das Kind fühlt und was es wirklich braucht.
Beziehungen gleichberechtigt aufbauen
Anstatt in starren Hierarchien zu denken, sollten wir Beziehungen zu Kindern auf Augenhöhe gestalten. Das erfordert Geduld, Empathie und die Bereitschaft, Macht abzugeben und Kinder als gleichwertige Partner zu betrachten.
Bedingungslos Kinder ernst nehmen
Die Meinungen, Wünsche und Bedürfnisse von Kindern sollten immer ernst genommen und respektiert werden. Dies bedeutet, Kinder in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Stimme zu erheben und Einfluss zu nehmen.
Behutsame Kommunikation
Anstatt nur Anweisungen zu geben, sollten wir offene Gespräche führen und Kinder in Lösungsfindungen einbeziehen. Eine wertschätzende Kommunikation zeigt ihnen, dass ihre Meinung zählt und stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Beteiligung fördern
Kinder und Jugendliche sollten aktiv an Entscheidungen beteiligt werden, die sie betreffen. Dadurch lernen sie Verantwortung zu übernehmen. Außerdem erfahren sie, dass sie ihre Umgebung aktiv mitgestalten können, was ihre Selbstwirksamkeitserwartung stärkt.
Mein Plädoyer
Zum Abschluss möchte ich betonen, wie wichtig es ist, Kinderrechte nicht nur als abstrakte Idee zu sehen. Wir sollten sie vielmehr aktiv in unserem täglichen Handeln verankern. Indem wir bewusst eigene Vorurteile betrachten, Beziehungen gleichberechtigt aufbauen, Kinder bedingungslos ernst nehmen, behutsam zu kommunizieren und die Beteiligung der Kinder fördern, tragen wir dazu bei, Adultismus entgegenzuwirken und eine respektvolle, inklusive Gesellschaft zu gestalten.
Hochspannend ist es auch, Kinder und Jugendliche nach ihren Wünschen zu fragen. Und dies natürlich in die Gestaltung von Zukunft mit einzubeziehen.
Was tust du für die Kinderrechte?
Schreib gerne in die Kommentare.
Zusammen für eine starke Zukunft,
grüßt dich Christa
Dieser Artikel entstand anlässlich des Weltkindertages 2024. Der Weltkindertag ist ein Tag, der uns daran erinnern soll, die Rechte der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen und sie zu schützen. Kinder sind nicht nur die Zukunft – sie sind schon heute vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft. Und es liegt in unserer Verantwortung, ihnen den Raum zu geben, den sie brauchen, um sich frei zu entfalten.