Kennst du eine „Das haben wir schon immer so gemacht“-Person?
Janosch hat kürzlich begonnen, in einer Krippe zu arbeiten. In seiner Ausbildung zum Erzieher hat er viele Ideen, Methoden und Abläufe gelernt, von denen er findet, dass es die Kita-Abläufe vereinfachen und verbessern würde. Er würde sie gerne einbringen. Und einige Kolleg*innen im Team sind auch aufgeschlossen, etwas zu verändern. Aber dann gibt es da noch eine ältere Kollegin, die schon mehrere Jahrzehnte bei diesem Träger arbeitet und jeden Vorschlag von vornherein abwehrt mit dem allbekannten „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Ihre Varianten zu dieser Aussage sind vielleicht noch „Das bringt doch alles eh nichts“ und „Weshalb sollten wir das ändern, bisher lief es doch gut so“. In jedem Fall werden so Gespräche über Veränderungen im Keim erstickt, was Janosch unzufrieden macht.
Was steckt hinter dem Satz?
Es kann ganz unterschiedliche Gründe haben, weshalb Menschen mit Aussagen wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ reagieren. Im Folgenden stelle ich einige vor. Natürlich ist auch eine Kombination dieser Gründe möglich.
Viele Menschen haben Angst vor Veränderungen. Sie schätzen Sicherheit und haben das Gefühl, das Altbekannte sei die beste, weil bekannte Option. Alles andere bedeutet Glatteis, Unsicherheit und potenzielle Gefahr.
Andere Personen haben wenig Interesse oder Motivation, sich auf etwas Neues einzustellen. So müssen sie ihre Gewohnheiten nicht verändern, wissen, wie alles funktioniert und werden nicht durcheinandergebracht.
Es kann darüber hinaus sein, dass Menschen keine Energie für etwas Neues haben. Sie sind jetzt bereits erschöpft, vielleicht ausgebrannt. Es ist schon alles zu viel, so wie es gerade ist und sie kommen beruflich und/oder privat kaum noch hinterher. Sich nun ganz neu auf etwas einzustellen, neue Abläufe zu finden usw. erscheint ihnen zu anstrengend und nicht zu bewältigen.
Auch Kontrolle kann eine Rolle spielen: Etliche haben das starke Bedürfnis nach Kontrolle und das Gefühl, ihnen würde die Kontrolle entgleiten, wenn sie nicht auf gewohnte Abläufe zurückgreifen können.
Wieder andere haben das Gefühl, dass ihre Kompetenz oder Berufserfahrung in Frage gestellt wird. Sie haben Angst, nicht mehr wichtig zu sein und dass ihre jahre- oder jahrzehntelange Berufserfahrung nicht wertgeschätzt wird. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn es sich um eine neue Person mit einer höheren Qualifizierung handelt und sich die neue, jüngere Person bedrohlich anfühlt, weil sie ggf. mehr Anerkennung erhält oder die Angst da ist, ersetzbar zu sein und abgelöst zu werden.
Auch möglich ist es, dass Menschen mit der Aussage subtil andere Personen abwerten, um sich selber aufzuwerten. Sie stellen sich über ihre Kolleg*innen, positionieren sich als erfahren und wissend und belächeln die Jungen, die Neuen, diejenigen, die Veränderungen anstreben. Indem sie ihr Gegenüber als träumerische Spinner*innen markieren, bleibt die eigene Position anscheinend unangetastet, sie können sich als Realist*in darstellen.
10 Dos
Im Folgenden habe ich 10 Dos und 3 Don’ts zusammengestellt für den Umgang mit „Das haben wir schon immer so gemacht“-Menschen:
- Bleibe ruhig und sachlich und im Blickkontakt mit der Person, die etwas Neues vehement verwehrt.
- Gut zuhören. Dein Gegenüber soll die Erfahrung machen, dass seine Befürchtungen sowie Vorbehalte ernst genommen werden und sich gesehen, gehört und verstanden fühlen. Sei offen für die Sorgen und die Bedenken und gehe darauf ein.
- Wertschätzung ausdrücken: „Ich schätze deine Lebenserfahrung und dass du schon so viel Berufserfahrung hast. Du hast echt eine Menge erlebt in diesem Beruf und ich finde deine Expertise beeindruckend.“
- Zustimmung und Anknüpfen. Du kannst einem Teil der Aussage beistimmen und dann etwas Eigenes einbringen. Zum Beispiel: „Ich sehe es auch so, dass es so nicht funktionieren wird. Deshalb könnten wir es so-und-so machen…“
- Konkrete Nachfragen stellen: „Was genau an meinem Vorschlag denkst du, es funktioniert nicht?“ oder: „Was ist denn deine Erfahrung damit?“
- Zahlen, Daten Fakten. Wenn du das Argument deines Gegenübers gegen etwas Neues bereits kennst, kannst Du Dich vor dem nächsten Treffen mit Zahlen, Daten und Fakten vertraut machen, um dem gezielt etwas entgegenzusetzen.
- Zaubersatz „Ich kann dich gut verstehen“ verwenden. Zum Beispiel: „Ich kann dich gut verstehen. Wir haben das jetzt lange so gemacht und wenn wir etwas Neues ausprobieren, ist das zusätzlicher Aufwand und wir wissen nicht, ob es sich bewährt. Es funktioniert ja auch, was wir jetzt machen, und ich glaube, wir könnten es noch verbessern…“
- Gegenargumente finden – von flapsig zwischendurch („In manchen Gegenden kann man 50 km immer geradeaus fahren. Aber dann kommt irgendwann doch eine Kurve mit einem Baum“ zu ernster: „Nur weil es lange so gemacht wurde, heißt es nicht, dass es perfekt ist und nicht Spielraum nach oben gäbe.“ „Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, sich etwas Neues zu trauen.“ „Ich bin mir sicher, dass es vor 20 Jahren hier anders war als heute oder vor 10 Jahren. Alles verändert sich ständig, schon allein durch die Mitarbeiter*innen. Es kann auch schön sein, sich aktiv für Veränderungen zu entscheiden.“
- Etwas Drittes. Vielleicht muss es sich weder so verändern, wie du vorschlägst, noch genau so bleiben, wie es bisher war; vielleicht gibt es etwas Drittes. Damit meine ich keinen Kompromiss, sondern etwas anderes, das beiden entspricht.
- Eine schrittweise Umstellung vorschlagen. Es muss sich nicht sofort um 100% verändern. Vieles kann Stückchen für Stückchen angegangen werden, das ist übersichtlicher und bietet mehr Sicherheit. Und/oder eine Testphase vorschlagen, z.B.: „Wir können es drei Monate ausprobieren und schauen, ob und wie es sich bewährt. Und wenn es wirklich nicht funktioniert, können wir wieder zu unserer jetzigen Art zurückkehren.“
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3 Don’ts
- Etwas Altes abwerten, nur weil es nicht das neueste Modell ist. Etwas Neues muss nicht immer gut sein, so wie etwas Altes nicht unbedingt schlecht oder überholt sein muss.
- Dem Gegenüber Emotionen oder Gründe unterstellen wie „Du hast doch nur Angst vor etwas Neuem“ oder „Du bist doch nur dagegen, weil ich dafür bin / weil es in deiner Jugend anders war“ usw.
- Die andere Person als „von gestern“, „altmodisch“ oder „überholt“ bezeichnen – das weder direkt noch gegenüber dritten Personen äußern.
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Und noch einen Gedanken für Chef*innen: Ermutige neue Mitarbeitende, Ideen einzubringen, wie Abläufe verbessert oder vereinfacht werden können, wenn sie etwas von woanders als reibungsloser und effektiver kennen. Signalisiere deinen Teammitgliedern, dass Veränderungen etwas Belebendes und Schwungvolles haben und willkommen sind.
Mehr Tipps gibt übrigens ein Buch, das sich dieser Thematik annimmt. Es trägt den passenden Titel „Das haben wir schon immer so gemacht. Die ‚Ja, abers‘ in Kita und Hort“ von Malte Mienert.
Was sind deine Strategien im Umgang mit „Das haben wir schon immer so gemacht“-Menschen? Hast du Tipps? Was hat sich für dich bewährt?
Ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen und Ideen mit mir teilst
sagt Christa Schäfer
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Lies hier mehr über den Umgang mit wütenden Menschen.
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