Mediation ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten „in Mode gekommen“. Doch nur wenige kennen die Geschichte von Mediation und Schulmediation. Dieser Blogartikel möchte aufklären …
Inhalt
Ursprünge und frühe Geschichte der Mediation
Die Geschichte der Mediation reicht weit zurück und findet sich in den unterschiedlichsten Kulturen und Gesellschaften wieder. Schon in indigenen Gemeinschaften spielten Vermittler eine zentrale Rolle bei der Konfliktlösung. Diese Vermittler, oft ältere und respektierte Mitglieder der Gemeinschaft, haben Streitigkeiten geschlichtet und Frieden wieder hergestellt. Diese frühen Formen der Mediation legten den Grundstein für die Prinzipien der Neutralität und der einvernehmlichen Lösung, die auch heute noch die Mediation auszeichnen.
In der Antike waren es vor allem die Griechen und Römer, die Mediation in ihren Gesellschaften etablierten. In Athen beispielsweise gab es öffentliche Mediatoren, sogenannte „Diaitetai“, die bei Streitigkeiten zwischen Bürger:innen vermittelten. Auch im römischen Recht war die Rolle des Mediators, oft „Intercessor“ genannt, fest verankert. Diese historischen Wurzeln zeigen, dass Mediation als Methode der Konfliktlösung tief in der menschlichen Geschichte verankert ist. Sie zeigen auch, dass Mediation von unterschiedlichen Kulturen unabhängig voneinander entwickelt wurde.
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit setzte sich die Tradition der Mediation fort, insbesondere in Gemeinschaften, wo die formale Gerichtsbarkeit weniger ausgeprägt war. Hier übernahmen oft religiöse Führer oder Gemeindevorsteher die Rolle der Mediatoren. Sie halfen, Konflikte zu schlichten, um die Gemeinschaft zu schützen und zu stärken. Diese Entwicklung zeigt, dass Mediation immer dann besonders gefragt war, wenn es darum ging, die sozialen Beziehungen innerhalb einer Gemeinschaft zu bewahren und zu fördern.
Geschichte der Mediation in der Antike
Bereits in der Antike war es die Aufgabe spezialisierter Vermittler, den Rechtsfrieden unter den Menschen wiederherzustellen. Der Begriff Mediation hat sowohl griechische als auch lateinische Wurzeln. Er bedeutet so viel wie „vermittelnd“, „neutral“ und „keiner Partei zugewandt“. Dabei unterstützen die Mediator:innen als allparteiliche Dritte die Streitparteien, eine Lösung zu finden, die von allen akzeptiert wird. Diese Lösung sollte die jeweiligen Bedürfnisse und Interessen der Parteien durch Verhandlungen berücksichtigen und respektieren.
Geschichte der Mediation in Asien
In Asien haben außergerichtliche Konfliktlösungsmethoden traditionell einen hohen Stellenwert. Die konfuzianisch geprägte Philosophie betont seit Jahrtausenden Harmonie, Kooperation und Konsens als höchste Form der Weisheit. In China ersetzt Mediation oft die Justiz bei der Lösung sozialer, familiärer und betrieblicher Konflikte. Offene Streitigkeiten sollen dort möglichst vermieden werden. Die formelle Anrufung eines Gerichts wird als Schande empfunden, da sie einen Gesichtsverlust der Beteiligten bedeutet und die Harmonie stört.
Geschichte der Mediation in Afrika
Auch in den Stammesgesellschaften Afrikas gab es bereits frühzeitig Streitschlichtung ohne formale Gerichte. In diesen Gesellschaften, die ohne staatliche Strukturen auskamen, existierten dennoch Normen und Verhaltensregeln, deren Verstöße zu Konflikten führen konnten. Autonome Einigungen der Streitparteien wurden meist unter der Anleitung von Schlichtern erarbeitet. Diese Form der Vermittlung ermöglicht ein fortlaufendes Zusammenleben in kleinen Gemeinschaften. In diesen ist jeder auf den anderen angewiesen, und dies ist bis heute ein wesentlicher Bestandteil des dortigen sozialen Gefüges.
Mediation in den USA
Die ersten Mediationszentren in den USA wurden von chinesischen Einwanderern gegründet. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erkannten die Amerikaner selbst den Wert dieser Konfliktlösungsmethode. In den USA hat sich Mediation seit den 1970er Jahren rasant entwickelt. Sie ist heute eine weit verbreitete Methode der alternativen Streitbeilegung. Angetrieben durch die Überlastung der Gerichte und die Kosten gerichtlicher Verfahren, bietet Mediation eine flexible, vertrauliche und oft kostengünstigere Alternative. Mediationszentren und private Mediationsdienste sind in vielen Städten verfügbar. Sie decken eine Vielzahl von Streitigkeiten ab, einschließlich Familienrecht, Arbeitskonflikte, Unternehmensstreitigkeiten und Gemeinschaftsstreitigkeiten. Die Professionalisierung der Mediation wird durch Organisationen wie die American Bar Association (ABA) und das Association for Conflict Resolution (ACR) unterstützt. Diese setzen die Standards.
Ein herausragendes Beispiel für eine erfolgreiche politische Mediation in der Neuzeit ist der Vertrag von Camp David (1978). Israel und Ägypten erzielten hierbei einen historischen Friedensabschluss.
Mediation in Europa
In Europa gibt es mediative Elemente zur Konfliktlösung bereits seit dem Mittelalter. Vermittlungen und mediative Aussöhnungen zwischen Ehegatten waren schon vor der Französischen Revolution bekannt. Im 19. Jahrhundert wurden in England die ersten Schlichtungsstellen geschaffen, insbesondere für wirtschaftliche Streitigkeiten. Diese frühen Formen der Mediation legten den Grundstein für die moderne Mediation in Europa, die heute in vielen Bereichen Anwendung findet.
Eine bekannte Mediation in Europa ist die Vermittlung im Konflikt um Nordirland, die 1998 zum Karfreitagsabkommen (Good Friday Agreement) führte. Unter der Leitung von US-Senator George Mitchell, der als Mediator fungierte, gelang es den politischen Führern Nordirlands, der Republik Irland und Großbritanniens einen jahrzehntelangen Konflikt zu beendeten.
Moderne Mediation: Entstehung und Etablierung
Der Aufstieg der modernen Mediation begann im 20. Jahrhundert, als die Notwendigkeit alternativer Streitbeilegungsmethoden zunehmend erkannt wurde. Nach den verheerenden Auswirkungen der beiden Weltkriege suchten viele nach Wegen, Konflikte friedlicher und nachhaltiger zu lösen. In dieser Zeit gewann die Mediation als strukturierte Methode der Konfliktlösung an Bedeutung.
Ein wesentlicher Einflussfaktor für die moderne Mediation war die Entwicklung der Konfliktlösungstheorien. Wissenschaftler und Praktiker erkannten, dass traditionelle, konfrontative Methoden der Streitbeilegung oft nicht die gewünschten Ergebnisse brachten und stattdessen nachteilige Auswirkungen auf die Beziehungen der Konfliktparteien hatten. Alternative Streitbeilegungsmethoden, wie die Mediation, stellten eine Möglichkeit dar, Konflikte kooperativ und konstruktiv zu lösen.
Die Institutionalisierung und Professionalisierung der Mediation begann ebenfalls in dieser Zeit. Organisationen wie die American Arbitration Association (AAA) und das International Institute for Conflict Prevention & Resolution (CPR) wurden gegründet, um Mediation als anerkanntes Verfahren der Streitbeilegung zu fördern. Diese Institutionen entwickelten Standards und Ausbildungsprogramme, um die Qualität und Wirksamkeit der Mediation zu sichern.
Wichtige Pioniere der modernen Mediation spielten eine entscheidende Rolle in ihrer Etablierung. Personen wie Mary Parker Follett, die als eine der Gründerinnen der modernen Management- und Konflikttheorie gilt, und der Harvard-Professor Roger Fisher, Mitautor des einflussreichen Buches „Getting to Yes“, haben wesentliche Beiträge zur Theorie und Praxis der Mediation geleistet. Ihre Arbeiten haben die Mediation in verschiedenen Bereichen – von der Wirtschaft bis zur internationalen Diplomatie – gefördert und ihr zu breiter Akzeptanz verholfen.
Die moderne Mediation ist somit das Ergebnis einer langen Entwicklung, die sowohl historische Traditionen als auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfordernisse integriert. Die Geschichte der Mediation ist und bleibt spannend. Heute ist Mediation ein weltweit anerkanntes Verfahren, das in vielen Bereichen erfolgreich angewendet wird, um Konflikte friedlich und nachhaltig zu lösen.
Geschichte der Schulmediation
Die Idee der Mediation in Schulen begann sich in den 1980er und 1990er Jahren zu verbreiten, als Pädagog:innenen und Schulpsycholog:innen nach neuen Wegen suchten, um Konflikte unter Schüler:innen zu lösen und ein positives Schulklima zu fördern. In dieser Zeit wurde klar, dass traditionelle Disziplinarmaßnahmen oft nicht ausreichten, um die tiefer liegenden Ursachen von Konflikten zu klären und nachhaltige Lösungen zu finden.
Die Einführung der Schulmediation basierte auf der Überzeugung, dass Schüler:innen durch die aktive Teilnahme an der Konfliktlösung wertvolle soziale und emotionale Fähigkeiten erlernen können. Frühe Modelle der Schulmediation wurden in den USA und Europa entwickelt und konzentrierten sich darauf, Schüler zu Mediator:innen auszubilden, die ihren Mitschüler:innen bei der Lösung von Konflikten halfen. Diese sogenannten Peer-Mediationsprogramme zeigten schnell Erfolge und wurden zu einem wichtigen Bestandteil vieler Schulen.
Ein zentrales Element der Schulmediation war die Rolle von Pädagog:innen und Schulpsycholog:innen. Sie übernahmen die Aufgabe, die Schülermediator:innen auszubilden und zu betreuen, indem sie ihnen die notwendigen Fähigkeiten und Techniken vermittelten. Diese Fachleute fungierten nicht nur als Trainer:innen, sondern auch als Unterstützer:innen und Berater:innen, die den Mediationsprozess begleiteten und sicherstellten, dass er effektiv und fair ablief.
Länderspezifisches zur Schulmediation
Ein frühes und erfolgreiches Beispiel für Schulmediation ist das „Peacebuilders Program“, das in den USA entwickelt wurde. Dieses Programm zielte darauf ab, ein gewaltfreies Schulklima zu schaffen, indem Schüler lernen, Konflikte durch Dialog und Verhandlung zu lösen. Studien zeigten, dass Schulen, die dieses Programm implementierten, eine signifikante Reduzierung von Gewalttaten und ein verbessertes soziales Klima verzeichneten.
Auch in Deutschland fand die Schulmediation zunehmend Anklang. Die Schülermediator:innen wurden „Streitschlichter“ oder „Konfliktlotsen“ genannt. Diese Programme wurden von verschiedenen Bildungseinrichtungen und Landesregierungen unterstützt und zeigten positive Auswirkungen auf das Schulklima und das Verhalten der Schüler:innen.
Die ersten Erfolge der Schulmediation machten deutlich, dass diese Methode weit mehr als nur eine Alternative zu traditionellen Disziplinarmaßnahmen darstellt. Schulmediation fördert die Entwicklung sozialer Kompetenzen, verbessert das Verständnis und die Empathie unter Schüler:innen und trägt zu einem positiven und respektvollen Schulklima bei. Sie bietet die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und aktiv an der Gestaltung des schulischen Umfelds mitzuwirken.
Heute ist die Schulmediation in vielen Ländern etabliert und ein wichtiger Bestandteil der Schulentwicklung. Die positiven Erfahrungen und Erfolge der ersten Schulmediationsprogramme haben dazu beigetragen, dass immer mehr Schulen weltweit Mediation als Bestandteil ihres Konzepts zur Konfliktbewältigung und Gewaltprävention integrieren.
Aktuelle Trends und Entwicklungen in der Schulmediation
In den letzten Jahren hat die Schulmediation eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen, wobei sich mehrere Trends und neue Ansätze herauskristallisiert haben. Diese Entwicklungen spiegeln die zunehmende Anerkennung der Schulmediation als effektives Mittel zur Förderung eines positiven Schulklimas und zur Unterstützung der sozialen und emotionalen Entwicklung von Schülern wider.
Schulmediation in Deutschland und anderswo
Schulmediationsprogramme haben weltweit an Bedeutung gewonnen, wobei verschiedene Länder ihre eigenen Modelle und Ansätze entwickelt haben. In den USA beispielsweise ist die Peer-Mediation weit verbreitet. Schüler:innen werden zu Mediator:innen ausgebildet und helfen ihren Mitschüler:innen, Konflikte eigenständig zu lösen. In vielen europäischen Ländern, einschließlich Deutschland, Österreich und der Schweiz, heißen diese Schüler-Mediator:innen „Streitschlichter“ oder auch „Konfliktlotsen“.
Skandinavische Länder wie Norwegen und Schweden haben Schulmediationsprogramme in ihre nationalen Bildungssysteme integriert und legen besonderen Wert auf die Förderung von sozialen Kompetenzen und gewaltfreier Kommunikation. Diese Länder haben umfassende Schulmediationsnetzwerke aufgebaut, die Schulen mit Ressourcen und Schulungen unterstützen.
Ausbildung von Schulmediator:innen
Die Ausbildung von Schulmediator:innen hat sich weiterentwickelt und professionalisiert. Pädagog:innen, Schulpsycholog:innen und andere Schulmitarbeitende erhalten spezialisierte Trainings. Dadurch werden sie befähigt, Schulmediator:innen zu sein und Schüler:innen zu Mediator:innen ausbilden zu können. Diese Trainingsprogramme decken eine Vielzahl von Themen ab, darunter Konfliktanalyse, Kommunikationstechniken, Mediationsmethoden und ethische Grundsätze der Mediation.
Vom Bundesverband Mediation gibt es in Deutschland Empfehlungen zum Aufbau eines Schulmediationsprogrammes an Schule. Der österreichische Verband ÖBM befasst sich ebenfalls intensiv mit dem Thema Schulmediation und hat eigene Richtlinien dazu herausgebracht. Diese Programme tragen dazu bei, die Qualität der Schulmediation zu sichern und sicherzustellen, dass Mediatoren gut vorbereitet sind, um in komplexen Schulsituationen zu agieren.
Zukunftsperspektiven und innovative Ansätze
Die Zukunft der Schulmediation sieht vielversprechend aus, da immer mehr Schulen und Bildungseinrichtungen die Vorteile dieser Methode erkennen und integrieren. Einige der innovativen Ansätze, die derzeit erforscht und implementiert werden, umfassen folgendes …
Mediation und Diversity: In immer vielfältigeren Schulumgebungen gewinnt die transkulturelle Mediation an Bedeutung. Die Mediator:innen werden geschult. Sie verstehen kulturelle Unterschiede können Konflikte, die aus diesen Unterschieden entstehen, effektiv lösen.
Ganzheitliche Ansätze: Viele Schulen entwickeln ganzheitliche Ansätze, die Mediation in ein breiteres Konzept der sozialen und emotionalen Bildung integrieren. Diese Ansätze kombinieren Mediation mit Programmen zur Förderung von Empathie, Resilienz und prosozialem Verhalten.
Schlussfolgerung
Die Schulmediation hat sich als wertvolles Instrument zur Förderung eines positiven Schulklimas etabliert. Ebenfalls wird hierbei die soziale und emotionale Entwicklung der Schüler:innen gefördert. Die Geschichte von Mediation und Schulmediation zeigt, dass sie weit mehr ist als nur eine Methode zur Konfliktlösung. Sie ist ein Weg, um Gemeinschaft, Verständnis und Respekt in Schulen zu fördern.
Angesichts der zahlreichen Vorteile und Erfolge der Schulmediation ist es wichtig, dass Schulen, Bildungseinrichtungen und politische Entscheidungsträger weiterhin in diese Programme investieren und sie unterstützen. Die Schulmediation bietet eine einzigartige Möglichkeit, Schülern wichtige Lebenskompetenzen zu vermitteln, die weit über die Schulzeit hinaus von Nutzen sind.
Ich appelliere an alle Beteiligten im Bildungssektor – Lehrkräfte, Schulpsycholog:innen, Eltern und politische Entscheidungsträger – die Bedeutung der Schulmediation anzuerkennen und ihre Integration in das Bildungssystem zu fördern. Durch die Unterstützung und Weiterentwicklung von Schulmediationsprogrammen können wir dazu beitragen, eine friedlichere und respektvollere Schulgemeinschaft zu schaffen, die jedem Schüler die besten Chancen für eine erfolgreiche und erfüllte Zukunft bietet.
Dr. Christa D. Schäfer