Mediation bei Mobbing: Lösung oder Risiko?

Zwei Jugendliche machen sich über einen Jungen lustig

Mobbing ist ein ernstes Problem, das in Schulen, am Arbeitsplatz und sogar im digitalen Raum immer häufiger auftritt. Die psychischen und physischen Auswirkungen auf die Betroffenen sind oft gravierend, und die Suche nach wirksamen Lösungsansätzen ist daher von großer Bedeutung. Ist eine Mediation bei Mobbing Lösung oder Risiko?

Dieser Blogartikel ist Teil einer Blogparade von Silke Schwerdtfeger, Grundschullehrerin und Schulleiterin. Mit ihrem Aufruf zur Blogparade und dem Hashtag „GemeinsamGegenMobbing habe ich endlich meinen lange anvisierten Blogartikel zum Thema „Mediation bei Mobbing: Lösung oder Risiko?“ fertiggestellt.

Inhalt

Was ist Mediation?

Falls du noch nicht genau weißt, was Mediation ist, kein Problem! Hier kannst du dich über die Grundlagen der Mediation informieren. Mediation ist ein Prozess, bei dem eine allparteiliche dritte Person den Konfliktparteien hilft, ihre Differenzen durch Kommunikation und Verhandlung beizulegen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Was ist Mobbing?

Falls du mehr über Mobbing erfahren möchtest, ist auch das kein Problem. In diesem Blog findest du Informationen über Mobbing, das das systematische Schikanieren, Ausgrenzen oder Verletzen einer Person durch andere meint – ob verbal, physisch oder psychisch – und oft schwerwiegende Folgen hat. Bei Mobbing gibt es zudem verschiedene Rollen:

  • Das Mobbingopfer, auch Mobbingbetroffene Person genannt.
  • Der Mobbingtäter / die Mobbingtäterin, auch Mobbingbetreibende Person genannt.
  • Ganz viele Möglichmacher:innen, die zuschauen und nicht eingreifen. Oder vielleicht sogar den Täter oder die Täterin unterstützen.
  • Wichtig zu wissen, dass Mobbing letztlich ein gesamtes System betrifft und nicht nur vereinzelte Personen.

Mediation bei Mobbing: Lösung oder Risiko?

Argumente für Mediation bei Mobbing

1. Förderung von Verständnis und Kommunikation

Ein zentraler Ansatz der Mediation ist die Verbesserung der Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien. In Mobbingfällen kann dies dazu beitragen, Missverständnisse aufzuklären und ein besseres Verständnis für die jeweiligen Perspektiven zu entwickeln. Oft wird Mobbing durch tieferliegende Konflikte oder Missverständnisse ausgelöst, die in einem offenen Dialog geklärt werden können. Mediation schafft einen geschützten Raum, in dem die betroffenen Personen ihre Sichtweisen äußern und gemeinsam nach Lösungen suchen können.

2. Prävention durch frühzeitiges Eingreifen

Wenn Mediation frühzeitig eingesetzt wird, bevor das Mobbing ein chronisches Ausmaß erreicht, kann sie dazu beitragen, das Problem zu deeskalieren und ein schädliches Muster zu verhindern. Durch den Mediationsprozess kann ein konstruktiver Dialog initiiert werden, der die Eskalation von Konflikten und Mobbing unterbindet.

3. Stärkung der Opfer

Ein weiteres Argument für den Einsatz von Mediation bei Mobbing ist die Möglichkeit, das Opfer zu stärken. Im Mediationsprozess hat das Opfer die Gelegenheit, in einem sicheren Umfeld seine Gefühle und Bedürfnisse zu artikulieren. Dies kann das Selbstbewusstsein und die Selbstbestimmung des Opfers fördern und ihm helfen, die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen.

Argumente gegen Mediation bei Mobbing

1. Machtungleichgewicht und seine Risiken

Ein gravierender Kritikpunkt an der Mediation bei Mobbing ist das oft bestehende Machtungleichgewicht zwischen Täter:innen und Opfer. Mobbing zeichnet sich gerade dadurch aus, dass der Tätergruppe eine dominante Position einnimmt, die es dem Opfer erschwert, sich gleichberechtigt am Mediationsprozess zu beteiligen. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass das Opfer unter Druck gesetzt wird, nachzugeben, oder dass der Täter bzw. die Täterin den Prozess manipuliert, um seine oder ihre Position zu stärken.

2. Gefahr der Retraumatisierung des Opfers

Die Teilnahme an einer Mediation kann für das Opfer belastend sein, insbesondere wenn es dem Täter erneut gegenübertreten muss. Dies kann zu einer Retraumatisierung führen, bei der das Opfer die erlebten Belastungen erneut durchlebt. Besonders in Fällen von schwerwiegendem oder langanhaltendem Mobbing kann die Mediation somit mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.

3. Ungeeignet für chronisches oder schwerwiegendes Mobbing

Mediation ist möglicherweise nicht das geeignete Mittel, wenn das Mobbing bereits über einen längeren Zeitraum andauert oder bereits schwere Formen angenommen hat. In solchen Fällen sind andere Maßnahmen erforderlich: Die Farsta-Methode, Disziplinarmaßnahmen, psychologische Unterstützung oder gar rechtliche Schritte. Hier kann Mediation nicht den notwendigen Schutz bieten, den das Opfer benötigt.

Zwischenfazit

Ein Konflikt ist kein Mobbing.

Und eine Mediation bei Mobbing muss gut überlegt werden. Eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile ist unerlässlich, bevor Mediation als Lösung in Betracht gezogen wird.

Was sagen Mediator:innen?

Die Frage, ob Mediation bei Mobbing Lösung oder Risiko ist, wird nicht nur in der Theorie diskutiert, sondern ist auch ein Thema, das viele Praktiker:innen in der Mediationsszene beschäftigt. Um ein umfassendes Bild zu erhalten, lohnt es sich, die Meinungen und Erfahrungen von Mediator:innen einzubeziehen, die mit solchen Fällen gearbeitet haben. Bei Gesprächen mit Kolleg:innen habe ich immer wieder folgende Meinungen gehört.

Befürworter:innen der Mediation bei Mobbing

Einige Mediator:innen sehen in der Mediation ein wertvolles Werkzeug zur Bewältigung von Mobbing. Ihre Argumente basieren auf den positiven Erfahrungen, die sie in ihrer Arbeit gemacht haben . Sie berichten von Fällen, in denen durch Mediation positive Veränderungen erzielt wurden und betonen, dass Mediation helfen kann, festgefahrene Kommunikationsmuster zu durchbrechen und den Beteiligten neue Perspektiven auf den Konflikt zu eröffnen.

Kritische Stimmen zur Mediation bei Mobbing

Gleichzeitig gibt es viele Mediator:innen, die skeptisch gegenüber der Anwendung von Mediation bei Mobbing sind. Ihre Bedenken basieren auf den spezifischen Herausforderungen, die Mobbingfälle mit sich bringen. Sie sehen die Gefahr, dass Mobbingopfer in der Mediation nicht aufrichtig sprechen und Mobbingtäter:innen sie manipulieren könnten.

Situationen, in denen Mediation passt

1. Frühes Stadium des Mobbings

Wenn Mobbing in einem frühen Stadium erkannt wird, bevor es zu einer Eskalation kommt, kann Mediation eine effektive Methode sein, um das Problem zu lösen. In dieser Phase ist es oft noch möglich, die Kommunikation zwischen den Parteien zu verbessern und Missverständnisse auszuräumen, bevor das Verhalten chronisch oder schwerwiegend wird.

2. Freiwillige Teilnahme und Bereitschaft zur Zusammenarbeit

Mediation basiert auf der Freiwilligkeit und der Bereitschaft aller Beteiligten, an einer Lösung zu arbeiten. Wenn sowohl Opfer als auch Täter:innen bereit sind, sich dem Prozess zu stellen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, kann Mediation erfolgreich sein. Wichtig ist, dass beide Parteien die Chance haben, ihre Perspektiven darzulegen und dass der Mediator bzw. die Mediatorin die Machtverhältnisse im Auge behält, um ein faires Verfahren zu gewährleisten.

3. Unterstützung durch qualifizierte Mediator:innen

Mediation bei Mobbing erfordert spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten. Mediator:innen, die Erfahrung mit Mobbingfällen haben und in der Lage sind, die komplexen Dynamiken zu erkennen und zu steuern, können den Prozess so gestalten, dass er für alle Beteiligten sicher und produktiv ist. Eine sorgfältige Vorbereitung und eine klare Struktur des Mediationsprozesses sind dabei entscheidend.

Situationen für alternative Maßnahmen

1. Chronisches oder schwerwiegendes Mobbing

In Fällen von langanhaltendem oder besonders schweren Mobbing, bei dem das Opfer bereits erhebliche psychische oder physische Schäden erlitten hat, reicht Mediation oft nicht aus. Hier sind stärkere Interventionen notwendig, wie z. B. disziplinarische Maßnahmen gegen die Täter:innen, therapeutische Unterstützung für das Opfer oder sogar rechtliche Schritte. Die Sicherheit und das Wohlbefinden des Opfers müssen in solchen Fällen an erster Stelle stehen.

2. Unzureichende Bereitschaft zur Zusammenarbeit

Wenn eine der beteiligten Parteien – insbesondere der oder die Täter:innen – nicht bereit sind, am Mediationsprozess teilzunehmen oder sich offen und ehrlich zu verhalten, ist Mediation zum Scheitern verurteilt. In solchen Fällen kann die Mediation nicht die notwendige Basis schaffen, um eine nachhaltige Lösung zu finden, und andere Maßnahmen sind erforderlich.

3. Starke psychische Belastung des Opfers

Wenn das Opfer stark traumatisiert ist oder das Risiko einer Retraumatisierung besteht, kann es für das Opfer schädlich sein, sich dem Täter oder der Täterin in einer Mediation zu stellen. In solchen Situationen sollte das Wohl des Opfers im Vordergrund stehen, und es sollte stattdessen auf unterstützende und schützende Maßnahmen zurückgegriffen werden.

Der richtige Weg im Umgang mit Mobbing

Mobbing ist ein komplexes und tiefgreifendes Problem, das nicht nur individuelles Leid verursacht, sondern auch das soziale Gefüge innerhalb von Gruppen destabilisieren kann. Der Einsatz von Mediation als Lösungsansatz muss daher stets sorgfältig abgewogen werden.

No Blame Approach und Farsta-Methode sind alternative Interventionsstrategien.

No Blame Approach: Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, Mobbing zu beenden, ohne Schuldzuweisungen vorzunehmen. Stattdessen wird ein Team aus Schüler:innen – einschließlich derjenigen, die am Mobbing beteiligt waren – gebildet. Diese entwickeln gemeinsam Lösungen, um das Mobbing zu stoppen. Der Fokus liegt auf Empathie und auf der Verantwortung der Gruppe, das Opfer zu unterstützen. Dies kann besonders in Schulkontexten effektiv sein, wo das soziale Umfeld des Opfers eine zentrale Rolle spielt.

Farsta-Methode: Die Farsta-Methode ist eine strukturierte Intervention bei Mobbing. Sie umfasst mehrere Phasen, darunter Gespräche mit dem Opfer, dem Täter oder der Täterin und dem Umfeld. Ziel ist es, das Mobbing rasch zu stoppen und das Wohl des Opfers zu sichern. Dieser Ansatz ist besonders dann geeignet, wenn schnelle und klare Maßnahmen erforderlich sind, um das Mobbing zu unterbinden.

Fazit

Die Entscheidung, welche Methode zur Bekämpfung von Mobbing eingesetzt wird sollte stets im Kontext der jeweiligen Situation getroffen werden. Es ist wichtig, die individuellen Bedürfnisse des Opfers, die Dynamiken des Mobbingfalls und die Bereitschaft der Beteiligten zu berücksichtigen. Nur so kann ein sicherer und unterstützender Rahmen geschaffen werden, der Mobbing effektiv bekämpft und die betroffenen Personen stärkt.

Letztlich ist es das Ziel für den Schulkontext ein Umfeld zu schaffen, in dem Respekt und Verständnis die Norm sind und Mobbing keinen Platz findet. Indem wir die richtigen Werkzeuge und Methoden anwenden, können wir gemeinsam dazu beitragen, dass Mobbing in unseren Gemeinschaften ein Ende findet.

Mediation bei Mobbing: Lösung oder Risiko?
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Viele Grüße von Christa

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5 Antworten

  1. Liebe Christa, für die Grundschule haben wir die No Blame Approach Intervention angepasst. Großen Wert legen wir auf präventive Maßnahmen. Im Rahmen des Mobbingpräventionstrainings stärken wir unsere Schüler und sensibilisieren sie. In den letzten Wochen und Monaten konnten wir immer wieder feststellen, dass Konflikte und Mobbing häufig verwechselt werden. Ein sehr informativer Beitrag über Mobbing.

    1. Liebe Silke,

      vielen Dank für deinen wertvollen Kommentar und das positive Feedback zu meinem Beitrag! Es freut mich zu hören, dass ihr in der Grundschule auf den No Blame Approach und auf Präventive Maßnahmen baut. Dies sind in der Tat entscheidende Aspekte, um ein sicheres und respektvolles Miteinander zu fördern. Und auch, dass ihr die Schüler:innen im Rahmen eines Mobbingpräventionstrainings stärkt und sensibilisiert, ist ein großartiger Ansatz.

      💚🍀 Eine wunderbare Grundschule, die dies alles tut. 🍀💚

      Vielen Dank nochmals für deine wertvollen Einblicke und alles Gute für deine Blogparade,
      sagt Christa

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