Im Gedenken an einen großen Pädagogen unserer Zeit …
Otto Herz (*21.03.1944, † 25.12. 2024) war ein Visionär einer guten Schule, eine prägende Persönlichkeit in der deutschen Bildungslandschaft. Als Pädagoge, Psychologe und engagierter Bildungsaktivist setzte er sich über Jahrzehnte für eine kindgerechte, gerechte und inspirierende Schule ein. Sein Ziel war es, eine Bildung zu schaffen, die über reines Wissen hinausgeht – hin zu einer Schule, die Kinder ganzheitlich fördert, Talente erkennt und Vielfalt wertschätzt.
Bekannt wurde er vor u.a. durch sein „A-B-C der guten Schule“ und seine unermüdliche Arbeit an reformpädagogischen Projekten. Seine Ansätze haben nicht nur Lehrkräfte und Schüler:innen inspiriert, sondern auch den Bildungsdiskurs nachhaltig geprägt.
Inhalt
Sein Motto
Verstehen und verständigen!
Verzeihen – vergeben – versöhnen!
Ein Auftrag für uns Alle!
Frieden im Herzen und auf dem Globus
Otto Herz: Frühes Leben und Ausbildung
Otto Herz wurde 1944 in Weinheim an der Bergstraße geboren. Seine eigenen Schulerfahrungen an der Odenwaldschule prägten ihn tief und inspirierten ihn dazu, Bildung neu zu denken. Er studierte Psychologie, Pädagogik, Philosophie und Theologie in Hamburg und Konstanz, wo er die Grundlagen für seine spätere reformpädagogische Arbeit legte.
Otto Herz: Berufliche Laufbahn
Otto Herz war ein vielseitiger Pädagoge, der zahlreiche bedeutende Projekte begleitete:
- Mitarbeit beim Aufbau der Laborschule und des Oberstufen-Kollegs in Bielefeld
- Bundesvorsitzender der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule (GGG)
- Leiter der Hermann-Lietz-Schule
- Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin
Er war stets Visionär einer guten Schule und seine Arbeit war stets geprägt von der Idee, eine Bildung zu schaffen, die auf Chancengleichheit, Kreativität und menschlichen Werten basiert.
Otto Herz: Das A-B-C der guten Schule
Das „A-B-C der guten Schule“ ist ein bedeutendes Vermächtnisse von Otto Herz. Es hat mich besonders geprägt. Und es ist ein Alphabet der Werte und Haltungen für eine Schule, in der Kinder, Jugendliche und Erwachsene gerne lernen, arbeiten und sich entwickeln. Herz sah Schule nicht nur als Ort der Wissensvermittlung, sondern als Lebensraum, der Gemeinschaft, Freude und Potenzialentfaltung fördert.
Das A-B-C entstand aus seiner langjährigen Erfahrung und Beobachtung: Was macht eine Schule wirklich gut? Was benötigen Schüler:innen und Lehrkräfte, um sich wohlzufühlen? Mit diesen Fragen im Hinterkopf formulierte er Begriffe und Grundhaltungen, die den Kern einer „guten Schule“ ausmachen.
Einige Buchstaben aus dem A-B-C der guten Schule
Gerne möchte ich euch einige Buchstaben vorstellen, die mir aufgrund des Inhalts von Otto Herz besonders am Herzen liegen:
A: Eine Atmosphäre der Achtung, der Anerkennung und der Akzeptanz aufbauen
Eine Schule, in der sich alle Beteiligten – von Schüler:innen über Lehrkräfte bis hin zu Eltern – respektiert und angenommen fühlen, schafft die Grundlage für erfolgreiches Lernen. Achtung bedeutet, die Einzigartigkeit jedes Einzelnen zu würdigen. Anerkennung zeigt, dass jede:r gesehen und geschätzt wird, unabhängig von Leistungen oder Rollen. Akzeptanz schließt die Vielfalt der Persönlichkeiten ein und fördert ein Klima, in dem Unterschiede nicht als Hindernis, sondern als Bereicherung erlebt werden.
B: Die Bedürfnisse aller Beteiligten in all ihrer Besonderheit beachten
Gute Schulen sind sensibel für die individuellen Bedürfnisse der Menschen, die dort zusammenkommen. Das reicht von den Lernbedürfnissen der Schüler:innen über die pädagogischen Ansprüche der Lehrkräfte bis hin zu den Anliegen der Eltern. Es geht darum, wahrzunehmen, was jede:r Einzelne braucht, und diese Bedürfnisse in den Schulalltag zu integrieren – sei es durch flexible Lernmethoden, Unterstützungsangebote oder ein offenes Ohr für persönliche Anliegen.
G: Gelingende Gemeinsamkeit genießen
Gemeinschaft ist mehr als ein Begriff – sie wird durch gemeinsame Erlebnisse und Erfolge lebendig. Ob beim Klassenprojekt, in der Gruppenarbeit oder bei Schulfesten: Gemeinsamkeit gelingt, wenn alle sich einbringen dürfen und ein Gefühl von Zusammenhalt entsteht. Diese Momente nicht nur zu erleben, sondern auch bewusst zu genießen, stärkt die Beziehungen und das Wir-Gefühl in der Schule.
K: Zu einem Klima der Kooperation beitragen und Konfrontationen kooperativ kontern
Eine Schule sollte ein Ort sein, an dem Zusammenarbeit an erster Stelle steht. Kooperation bedeutet, dass Lehrkräfte und Schüler:innen nicht gegeneinander arbeiten, sondern ein gemeinsames Ziel verfolgen. Konfrontationen – ob zwischen Schüler:innen, Lehrkräften oder Eltern – lassen sich durch eine kooperative Haltung entschärfen. Hier sind gegenseitiges Zuhören und die Suche nach gemeinsamen Lösungen entscheidend.
X und Y: Sich in XX und XY einfühlen, die Verschiedenheiten gemeinsam genießen und sie miteinander versöhnen
Die Begriffe XX und XY stehen biologisch für die Geschlechtschromosomen: Frauen haben in der Regel zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und ein Y-Chromosom. Für Otto Herz symbolisieren diese Chromosomen aber weit mehr als nur die biologische Grundlage für Geschlecht. Sie stehen für die Vielfalt, die unser Menschsein prägt – biologisch, kulturell und sozial.
Für Herz war es essenziell, diese Verschiedenheiten nicht nur zu akzeptieren, sondern sie bewusst zu genießen. Unterschiedliche Kulturen, Meinungen, Perspektiven und Persönlichkeiten bieten eine wertvolle Gelegenheit, voneinander zu lernen. Konflikte, die aus diesen Unterschieden entstehen, sah er nicht als Problem, sondern als Chance, durch Dialog und Verständnis gemeinsam Lösungen zu finden und eine echte Versöhnung zu ermöglichen.
Z: Zufriedenheit zeigen und Zuversicht immer wieder zutrauen und zumuten
Eine gute Schule ermutigt alle Beteiligten, Zufriedenheit nicht nur zu empfinden, sondern sie auch zu zeigen. Das bedeutet, positive Momente und Erfolge bewusst wahrzunehmen und zu teilen. Zugleich ist Zuversicht ein Schlüssel, um Herausforderungen zu meistern. Lehrkräfte, die Schüler:innen immer wieder zutrauen, schwierige Aufgaben zu bewältigen, fördern deren Selbstvertrauen und Resilienz.
Übung: Dein persönliches A-B-C der guten Schule
Jetzt bist Du dran! Nimm Dir einen Moment Zeit und überlege: Was macht für Dich eine gute Schule aus?
1. Schreibe die Buchstaben des Alphabets untereinander auf.
2. Ergänze zu jedem Buchstaben ein Wort oder einen Satz, der beschreibt, was für Dich wichtig ist. Zum Beispiel:
– A: Authentizität im Umgang miteinander
– B: Balance zwischen Fördern und Fordern
– C: Chancen für alle
3. Lass Deiner Kreativität freien Lauf – Dein A-B-C kann Werte, Ideen, Visionen oder konkrete Maßnahmen enthalten.
Wenn Du magst, teile Dein A-B-C mit Kolleg:innen oder in Deiner Schule. Gemeinsam könnt ihr darüber sprechen, welche Haltungen und Werte ihr als Team besonders betonen möchtet. Viel Freude bei dieser Übung – und danke, dass Du die Vision einer „guten Schule“ weiterträgst!
Gerne kannst du deine Erfahrungen mit dem A-B-C einer guten Schule auch unten in den Kommentaren mit uns teilen. Ich würde mich freuen, darüber zu lesen.
Otto Herz: Engagement und Projekte
Otto Herz war nicht nur ein Visionär der guten Schule, sondern auch ein unermüdlicher Praktiker, der zahlreiche Initiativen und Projekte ins Leben rief oder unterstützte. Sein Engagement erstreckte sich über Jahrzehnte und trug dazu bei, die Bildungslandschaft in Deutschland und darüber hinaus nachhaltig zu beeinflussen.
Schule im Aufbruch
Eines seiner bekanntesten Projekte war „Schule im Aufbruch“, eine Initiative, die Schulen dazu ermutigt, sich zu Lernorten zu entwickeln, an denen Kinder nicht nur Wissen erwerben, sondern auch ihre Persönlichkeit entfalten können. Herz unterstützte die Idee, dass Schulen lebensnah und zukunftsorientiert arbeiten sollten, und dies immer mit Blick auf die Talente und Bedürfnisse der Schüler:innen.
Stiftung Civil-Courage
Mit der Gründung der Stiftung Civil-Courage setzte sich Otto Herz für eine Gesellschaft ein, die von Solidarität, Zivilcourage und Respekt geprägt ist. Die Stiftung fördert Projekte, die dazu beitragen, demokratische Werte in Bildung und Gesellschaft zu stärken.
Otto Herz: Vermächtnis und Einfluss
Otto Herz hinterließ ein beeindruckendes Vermächtnis, das weit über seine persönliche Arbeit hinausgeht. Seine Ideen und Ansätze beeinflussten Generationen von Pädagog:innen, Eltern und Schüler:innen und prägten die Reformpädagogik nachhaltig.
Einfluss auf die Reformpädagogik
Herz war ein leidenschaftlicher Verfechter von Bildung, die Kopf, Herz und Hand vereint. Seine Vision einer Schule für alle, die auf Chancengleichheit und individueller Förderung basiert, setzte Maßstäbe für die Bildungspolitik und -praxis.
Inspiration für Lehrkräfte und Schulen
Seine Konzepte wie das „A-B-C der guten Schule“ oder die „10 An-Gebote“ inspirierten zahlreiche Schulen, ihre Lehr- und Lernkultur zu überdenken. Herz ermutigte Pädagog:innen, mutig zu sein, neue Wege zu gehen und die Schule zu einem Ort der Freude und Gemeinschaft zu machen.
Fortführung seiner Ideen
Ich bin sicher, dass auch nach seinem Tod im Dezember 2024 sein Vermächtnis weiterlebt. Zahlreiche Initiativen und Bildungsprojekte setzen seine Ansätze fort, und seine Ideen werden weiterhin Eingang finden in die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften sowie in Schulentwicklungsprozesse.
Otto Herz
Er hat uns gelehrt, dass Schule ein Ort der Freude, der Gemeinschaft und des Wachstums sein kann – ein Vermächtnis, das wir bewahren und weitertragen.
Seine Vision einer „guten Schule“ bleibt eine Aufgabe, die uns alle betrifft.
Denn, wie er immer sagte: „Im Leben lernen– Im Lernen leben“
In Gedenken an einen ganz Großen …
Dr. Christa Schäfer
2 Antworten
Liebe Christa,
vielen Dank für die wertvolle Erinnerung an Otto Herz, der mir in meinem Lehrerinnenleben immer mal wieder begegnet ist als Name, den ich aber nicht mit den Einrichtungen Hermann – Lietz – Schule, Laborschule Bielefeld usw. in Verbindung gebracht habe. Diese Bündelung der Informationen von Dir haben mir gefehlt für einen Überblick und eine Einordnung. Leider hat sein Name ja keinen Einzug gefunden in die Lehrerfortbildungen der Regierungspräsidenten – jedenfalls nicht in NRW. Ich habe immer nur zufällig und am Rande mal seinen Namen gehört. Das bedauere ich jetzt noch mehr, wo ich weiß, dass er fast mein Jahrgang (ich Jg. 1945) war, ich also eine echte Zeitgenossin bin. Er hätte mein Lehrerinnenleben mehr prägen können, wenn ich frühzeitiger eine klarere Vorstellung von seiner Pädagogik gehabt hätte. Danke für diesen würdigen Nachruf!!! Viele Grüße von Karin
Hallo Karin,
ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar und Deine wertschätzenden Worte! Es freut mich sehr, dass du durch den Blogartikel Otto Herz und seine beeindruckende Arbeit besser einordnen kannst. Seine Ideen und seine Pädagogik sind in manchen Gegenden Deutschlands nicht sonderlich bekannt, die Schulreformer sind jedoch alle von ihm total begeistert. Und so hat er wichtige Impulse gesetzt und in bestimmten Kreis viel bewirkt. Seine Ansätze zur Vielfalt, Gemeinschaft und Wertschätzung sind jedoch aktueller denn je.
Dass Du eine Zeitgenossin von Otto Herz bist, macht Deine Verbindung zu seinen Ideen und Deine Gedanken dazu umso berührender. Da ist die Verbindung zu seinem A-B-C der guten Schule in Vergleich zur eigenen pädagogischen Praxis wahrscheinlich besonders spannend.
Vielen Dank, dass Du deine Perspektive geteilt hast – das zeigt, wie wichtig es ist, Vordenker:innen wie Otto Herz immer wieder in Erinnerung zu rufen und ihren Beitrag für die Bildung sichtbar zu machen.
Herzliche Grüße und alles Gute für Dich, wünscht Christa