Während zu Weihnachten oft von Konflikten unterm Tannenbaum die Rede ist, lohnt sich zu Ostern ein neuer Blick. Ostern ist die Zeit des Suchens – und manchmal finden wir mehr, als nur bunte Eier. Warum Konflikte oft wie Ostereier sind, zeigt sich besonders in Familien: gut versteckt, überraschend und voller Lernchancen.
Was haben Konflikte mit Ostereiern zu tun?
Ostern ist bei uns in der Familie eine bunte Mischung aus Freude, Chaos und kleinen Dramen. Da wird im Garten gesucht, gefunden, gestritten, gelacht – und manchmal auch beleidigt geschmollt, weil jemand „schon wieder mehr“ hat oder ein Versteck zu schwer war.
Neulich habe ich mich dabei ertappt, wie ich mitten im Gewusel dachte:
„Konflikte sind eigentlich wie Ostereier.“
Sie tauchen plötzlich auf – oder auch nicht. Manche liegen ganz offen da, andere sind so gut versteckt, dass man sie erst nach langem Suchen findet. Manche überraschen uns, andere riechen schon verdächtig streng. Und das Spannende ist: Oft entdecken wir sie nicht allein, sondern nur gemeinsam – als Familie, als Team, als Gemeinschaft.
Diese kleine Oster-Metapher passt erstaunlich gut auf das, was ich in vielen Familien – und auch bei mir selbst – rund ums Thema Konflikte beobachte. Deshalb lade ich dich ein: Lass uns gemeinsam ein paar dieser „Konflikt-Eier“ anschauen.
Konflikte sind oft gut versteckt
Gerade in Familien verstecken sich Konflikte gern. Nicht aus bösem Willen – oft aus Liebe, aus Rücksicht oder aus der Angst, die Harmonie zu stören.
Vielleicht kennst du das:
- Ein Elternteil ist überfordert, sagt aber nichts, um „den anderen nicht zu belasten“.
- Ein Kind zieht sich zurück, wirkt launisch – doch keiner fragt so richtig nach.
- Die Großeltern kritisieren beiläufig die Erziehung, aber alle lächeln tapfer darüber hinweg.
All das sind versteckte Konflikte, die sich irgendwo zwischen Alltagsstress, Termindruck und ungeklärten Erwartungen einnisten. Sie liegen nicht auf dem Präsentierteller – man muss sie suchen, wahrnehmen, ansprechen.
Doch wie bei der Ostereiersuche braucht es auch hier den richtigen Moment, die nötige Ruhe und manchmal einen kleinen Hinweis: „Ich glaube, da liegt was unter der Oberfläche – lass uns mal genauer hinschauen.“
Gerade in der Familienarbeit, in Gesprächen mit Eltern oder in Mediationen erlebe ich immer wieder, wie entlastend es sein kann, solche „versteckten Eier“ gemeinsam aufzuspüren. Und manchmal liegt die eigentliche Überraschung nicht im Konflikt selbst, sondern in dem, was passiert, wenn er endlich gesehen wird.
Man muss sich auf die Suche machen
Warum Konflikte oft wie Ostereier sind, merken wir spätestens dann, wenn wir suchen, obwohl wir gar nicht genau wissen, was wir eigentlich finden wollen.
Konflikte zeigen sich nicht immer von selbst. Manchmal liegen sie im Verborgenen, zwischen den Zeilen, hinter einem genervten Blick oder in der Art, wie jemand die Tür etwas zu laut schließt.
Gerade im Familienalltag überlagert das Gewusel aus Terminen, To-do-Listen und Alltagsaufgaben oft das, was eigentlich angeschaut werden müsste. Wer hat da schon Zeit oder Nerven, um nach einem Konflikt zu suchen, der sich vielleicht noch gar nicht ganz gezeigt hat?
Aber: Wer nicht sucht, wird auch nichts finden. Und das gilt nicht nur fürs Osterfest.
In der Mediation sagen wir, dass es wichtig ist, Gefühle und Bedürfnisse hinter (unter) der Position zu entdecken.
Ein Streit ums Zähneputzen ist selten ein Streit ums Zähneputzen. Vielleicht steckt dahinter das Bedürfnis eines Kindes, selber die Zeit zum Zähneputzen entscheiden zu dürfen. Oder der Erschöpfungszustand eines Elternteils, der eigentlich dringend eine Pause braucht.
Die Suche nach dem wahren Kern eines Konflikts erfordert Mut, Aufmerksamkeit – und manchmal auch Geduld. Kinder zeigen uns oft sehr deutlich, dass etwas los ist, aber nicht, was genau. Und auch Erwachsene verpacken ihre Verletzlichkeit gern in Ironie, Wut oder Rückzug.
Wer sucht, muss also bereit sein, nicht nur zu hören, sondern wirklich zuzuhören. Ohne sofort zu bewerten. Ohne gleich eine Lösung parat haben zu müssen.
Nicht jedes Ei ist bunt und schön
Es gibt diese Momente an Ostern, da findet jemand ein Ei, das schon seit letztem Jahr im Gebüsch lag. Nicht mehr bunt. Nicht mehr hübsch. Sondern eher… na ja, sagen wir: geruchsintensiv.
So ähnlich ist das auch mit manchen Konflikten.
Nicht jeder Konflikt fühlt sich gut an. Manche sind unangenehm, peinlich, schmerzhaft. Vielleicht brodeln sie schon lange – zwischen Geschwistern, zwischen Partner:innen, zwischen Eltern und Kindern. Und wenn sie endlich ans Licht kommen, erschrecken sie uns mit ihrer Wucht.
Es ist ganz normal, dass wir solche Konflikte lieber vermeiden würden. Wer möchte sich schon freiwillig mit alten Verletzungen oder unangenehmen Wahrheiten beschäftigen? Aber genau wie bei einem vergessenen Osterei gilt: Je länger man wegsieht, desto schlimmer wird’s.
In der Familienmediation erlebe ich oft, wie erleichtert Menschen sind, wenn sie endlich aussprechen dürfen, was sie lange in sich getragen haben. Ja, manchmal fließen Tränen. Manchmal wird es laut. Aber fast immer folgt auf das Chaos eine große Klarheit – und ein bisschen mehr Frieden.
Denn selbst das „unschöne Ei“ hat einen Wert: Es zeigt uns, wo etwas gesehen, gefühlt und geklärt werden möchte.
Am schönsten ist es, wenn man gemeinsam sucht
Die schönsten Ostermomente entstehen oft nicht beim Finden, sondern beim gemeinsamen Suchen. Wenn die Kleinen durch den Garten flitzen und sich gegenseitig helfen, wenn jemand ruft: „Ich hab eins für dich gefunden!“ – dann spürt man dieses besondere Wir-Gefühl.
Warum sollte das bei Konflikten anders sein?
In vielen Familien besteht die stille Hoffnung: „Wenn ich nichts sage, regelt es sich schon.“ Oder: „Ich will die Stimmung nicht verderben.“ Doch echte Nähe entsteht nicht dadurch, dass alle Probleme unter den Teppich gekehrt werden. Sie entsteht, wenn wir bereit sind, gemeinsam hinzuschauen, zu fragen, zu verstehen.
Das bedeutet auch:
- Konflikte sind keine Einzelsache.
- Es braucht oft die Beteiligung aller, um eine Lösung zu finden, mit der sich jeder wohlfühlen kann.
- Kinder dürfen lernen, dass ihre Gefühle zählen – und dass es okay ist, auch mal wütend, traurig oder enttäuscht zu sein.
Ob beim Familienrat, im Zwiegespräch oder mit externer Unterstützung wie einer Mediation: Konflikte gemeinsam anzugehen, ist nicht immer einfach – aber es bringt uns einander näher.
Gefundene Eier bringen Überraschungen
Und dann – nach dem Suchen, Finden, Nachspüren – liegt es da: Das Ei.
Vielleicht ein Gespräch, das lange fällig war. Eine Entschuldigung. Ein Aha-Moment. Oder einfach das Gefühl: „Jetzt ist wieder Luft zum Atmen.“
Konflikte können – wenn man sich ihnen wirklich widmet – etwas in Bewegung bringen.
- Ein Familienmitglied fühlt sich zum ersten Mal gehört.
- Kinder dürfen mitentscheiden und blühen auf.
- Ein alter Streit verwandelt sich in ein neues Verständnis.
Ich habe oft erlebt, wie Menschen in Familiengesprächen überrascht sind:
- „Ich hätte nicht gedacht, dass du das so siehst.“
- „Danke, dass du mir zugehört hast.“
- „Das fühlt sich irgendwie leichter an.“
So wie man beim Öffnen eines Ostereis nie genau weiß, was drin ist, so steckt auch in einem Konflikt immer ein Moment der Überraschung – und oft auch ein echter Schatz: Verbindung, Klarheit, Wachstum.
Fazit: Konflikte finden, verstehen, verwandeln
Konflikte gehören zum Familienleben wie bunte Eier zu Ostern.
Sie sind mal sichtbar, mal versteckt. Mal bunt, mal ganz schön faul.
Aber sie sind immer eine Einladung: Hinsehen statt Wegschauen. Gemeinsam statt einsam. Zuhören statt urteilen.
Wenn wir uns trauen, Konflikte nicht als Störung, sondern als Chance zu begreifen, verändern sie ihren Charakter. Sie werden zu kleinen – oder großen – Wendepunkten im Miteinander.
Vielleicht magst du dir in den nächsten Tagen eine kleine Frage mitnehmen:
Welches „Konflikt-Ei“ liegt in meiner Familie noch gut versteckt? Und was könnte passieren, wenn wir es gemeinsam anschauen?
Ich wünsche dir ein friedliches, buntes, lebendiges Osterfest – mit vielen Überraschungen und ganz viel Verbundenheit. Herzliche Ostergrüße von Christa 🐰